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6. Reise, 17. Oktober 2023 bis …Mai 2024, ab Uruguay ganz in den Süden

 

Das 3. Enkelkind, der kleine David ist inzwischen geboren. Die Geburtstage von Samantha (12) und Alina (8) müssen wir in Gedanken mitfeiern, denn wir sind bereits wieder in Uruguay. Zwar mit 2 Wochen Verspätung, denn Richard wurde am ursprünglichen Reisetermin am Tag zuvor von Covid mit über 39° Fieber überrascht. Nun aber ist alles in Ordnung. Rolfs 11 Welpen in Nueva Helvetia sind auch Wohlauf, Papillon wartet auf uns in der Wiese. In der Zwischenzeit liess Rolf den gerissenen Keilriemen ersetzen, vielen Dank, vermutlich grobe Nachwehen der Fahrt auf dem feuchten Salar in Bolivien. Bald schon müssen wir Uruguay wieder verlassen, um am südöstlichsten Zipfel Argentiniens Tina und Felix zu treffen. Wir durften einige Päckli aus der Schweiz für sie mitbringen. Etwa 5 Tage trennen uns – keine Distanz auf dem riesigen Kontinent. Ein kleiner Seitensprung in den Park ‘El Palmar’ geniessen wir doch noch, wo tausende von Palmen zwischen Feuchtgebieten und Tümpeln, in denen hunderte von Capybaras (Wasserschweine zur Gattung der Meerschweinchen gehörend und die grössten Nagetiere überhaupt) suhlen im Nass und auf den Wiesen, dazwischen Sumpfschildkröten und massenweise krächzende Lohris und andere Vögel. Wir treffen uns bei Freunden von Freunden von Tina und Felix, bei Barbara und ihrer Familie, die in 2. und 3. Generation noch immer Schweizerdeutsch sprechen. Hier sitzen wir alle zusammen in ihrer grossen gemeinsamen Küche bei einem Asado (Grillabend) und erfahren vom Ritual des Yerba-Tees, das sind getrocknete Blätter des Mate-Strauchs. Getrunken wird er aus einem Flaschenkürbis oder meist ovalem Trinkgefäss gefüllt mit diesen Blättern, und getrunken mit der Bombilla, einer Art Metalltrinkhalm mit einem kleinen Sieb am unteren Ende. Dazu gehört natürlich die Thermoskanne mit heissem (oder kaltem Wasser). Mate-Tee trinken ist Teil der südamerikanischen Kultur und spielt eine wichtige soziale Rolle, zu vergleichen mit dem Ritual des englischen Teatime oder dem deutschen Kaffeeklatsch. Vor oder nach der Arbeit, auch zwischendurch, sitzt man zusammen, reicht den Becher herum. Jeder trinkt nacheinander, gibt den Becher zurück dem Gastgeber, der wieder heisses Wasser nachfüllt. Und alle benutzen denselben Trinkhalm. Dabei erzählt jeder seine Tagesgeschichte, was er erlebt hat, wie es ihm geht. Natürlich auch in Covidzeiten. Zum Essen steht ein grosses Gefäss auf dem Tisch, ähnlich einem grossen Bierhumpen und jeder der Durst hat trinkt direkt daraus. Hier zur Feier des Tages CocaCola mit Fernet.

Im südosten Brasiliens regnet es zur Zeit wieder ungewöhnlich stark. Viele Dörfer und Städte sind überflutet. Vermutlich werden Küche und Wohnraum bei Barbara, wo wir erst noch gemütlich bei Spiel zusammensassen, auch wieder unter Wasser stehen. Wir schauen uns die Iguazú-Fälle an, die argentinische wie die brasilianische Seite. Die Wassermassen sind immens, unbeschreiblich beeindruckend. Wir haben Glück, denn wenige Tage nach unserem Besuch bleiben die Eingänge geschlossen. 16-mal mehr Wasser als üblich donnert über die vielen Kaskaden, die Besucherstege sind überspült.

Bis Guaira reisen wir noch zusammen mit Tina und Felix, hier schwenken sie ab über den Fluss nach Paraguay. Nach dem Einbau zwei neuer Verbraucherbatterien reisen wir in den Südpantanal nach Bonito. Wieder sind wir etwas gestresst, denn die Nachfrage nach einem Ponton von Corumbá (an der bolivianischen Grenze) nach Porto Jofre sollte in wenigen Tagen fahren und der Weg ist noch weit. Gerne hätten wir uns mehr Zeit gelassen. Aber sollten wir dieses Schiff verpassen, wird das nächste erst wieder in 2-3 Wochen fahren. Das hiesse für uns einen Umweg von etwa 1300km zu fahren. Die etwas monotone Fahrt durch grösstenteils Farmgebiet lässt uns grössere Distanzen als gewohnt zurücklegen. Im touristischen Bonito gibt’s jedoch einen Halt. In einer tiefen Doline, umgeben von etwas Dschungel, erspähen wir viele rotgrünbunte Papageien und Tukane. Auch viele andere fremdartige Vögel erfreuen uns. Hätten wir mehr Zeit, dann würden wir schnorcheln gehen mit den vielen Fischen im glasklaren kleinen Fluss. Dank grossem Kalkvorkommen sind viele Flüsse und Bäche hier kristallklar. Am Übernachtungsort gönnen wir uns eine Bad-Erfrischung im letzten Becken des sonst ausgetrockneten oder versickerten Bachbettes. Noch trennen uns viele Kilometer bis zum Rio Paraguay, ob das Schiff fahren wird wurde noch nicht bestätigt. Die Piste im Südpantanal ist staubigtrocken. Herden von klapprigen indischen weissen Buckelrindern kommen uns entgegen, getrieben von Gauchos auf Pferden. Wurden sie alle vom Nord- in den Südpantanal auf Pontons gefahren? Und nun, wohin? Eigentlich hätte in den letzten Tagen die Regenzeit begonnen, vielleicht haben wir als Fahrer Glück noch trocken durchzukommen. Das Pantanal ist das grösste Feuchtgebiet der Erde. Das Sumpfgebiet ist fast halb so gross wie Deutschland und befindet sich grösstenteils in Brasilien, während etwa ein Drittel, touristisch wenig erkundet, in Bolivien und Paraguay liegt.

Etliche Farmer haben sich hier angesiedelt. Mit Rodungen und ‘präventivem’ Abfackeln erschliessen sie mehr Land für riesige Kuhherden oder Soyaanbau. Viele ihrer Farmen sind nur per Boot oder Kleinflugzeug erreichbar.

Endlich erreichen wir Corumbá, am Dienstagabend. Morgen sollte das Boot mit den 3 Pontons abfahren. Doch der Bescheid ist negativ, keine Fahrt. Ja was nun? Doch das Glück ist uns hold. Auf dem Campingplatz wartet ein holländisches Paar auf ein zweites Auto, denn dann würde ein anderer Bootsbetrieb sie/uns mitnehmen. Schnell ist der Kontakt mit Google-Übersetzer hergestellt, doch, ja, es klappt, morgen um 16:00h bereit sein. Bis der kleine Hafen, besser sowas wie Ankerplatz, gefunden wird! Erst werden die zwei anderen Pontons beladen mit hauptsächlich Veh-Mineralienfutter, dann der dritte. Wir werden als letzte Fracht in Porto Jofre entladen, also werden wir als erste über Metallplanken hochdirigiert. Danach füllt sich der Ponton bis auf den allerletzten Meter mit Traktoren, Vehikeln, Anhängern und Anderem. 4 Nächte verbringen wir auf dem Rio Paraguay und Rio Cuiabá, halten hie und da an um Ware zu entladen, kleinere Posten werden per Motorboot ausgeliefert. Es sind genüssliche Tage. Die Besatzung ist freundlich, arbeitet ohne grosse Worte Hand in Hand und ist tüchtig, Alkohol sieht man nie. Wir erhalten 3 Mahlzeiten, auf Wunsch sogar eine klimatisierte Kabine. Inzwischen jedoch ist ein neuer Auftrag eingegangen, das Schiff kann Flussaufwärts seine 3 gestossenen Pontons mit Veh füllen, die dann nach Corumbá flussabwärts geschippert werden.

Mich schaudert noch immer der Gedanke, dass Filou, Tina und Felix’ Hund bei derselben Schiffsreise vom Ponton gefallen war. Jedermann schüttelte hoffnungslos den Kopf, keine Chance bei all den vielen Kaimanen. Doch, oh Wunder, nach 24 Stunden wurde der schwarze Pudel heulend von einem Fischer an einem Steilbord entdeckt und den überglücklichen Besitzern übergeben.

Gemeinsam mit dem Holländerpaar Tina und Jaap mieten wir eine Jaguar-Tagesbootstour.  Und welch grosses Glück, 9 dieser kräftigen herrlichen Tiere sichten wir. Manchmal sind sie sogar zu zweit, einmal mit Jungen. Wie aufregend und eindrücklich! Capybaras und grosse Jabirus (Storchenvogel) besiedeln die Wassernähe. Wegen der fortgeschrittenen Trockenzeit sehen wir ansonsten wenig Tiere, ausser natürlich Vögel, hauptsächlich kleine krächzende grüne Lohris (was die immer lautstark zu erzählen haben!) und hören ohrenbetäubende zirpende Zikaden. Dafür fallen reife Mangos zu Hauf von den riesigen Bäumen und wir können uns davon genüsslich sattessen.

Nochmals muss ich erwähnen wie froh wir für unsere Reise sind, dass noch kein Regen fällt, denn die staubigen Erdstrassen würden sich im Nu in maschige rutschige und gefährliche Pisten verwandeln. So nehmen wir die feinen Russpartikel der Brände und den Strassenstaub ‘gerne’ entgegen, breschen gegen die brasilianisch/bolivianische Grenze – erst über die staubigtrockene Transpantaneira über die noch restlichen abenteuerlichen Holzbrücken (der Grossteil wurde erneuert mit Betonübergängen), vorbei an seichten Resttümpeln, wo sich die zahllosen Kaimane bald Schulter an Schulter nässen. In der 44° Tageshitze treffen wir noch einen seltenen Overlander, Dieter (Deutsch/Schweizer mit Autonummer aus Kasachstan – sowas schon mal gesehen?). Bis zur Grenze erfreuen uns 200km schnurgerade Asphaltstrasse, die ab Bolivien abrupt in 300km Waschbrettstaub übergeht. Nicht bei Nacht fahren, nicht wild übernachten – denn parallel zur bolivianischen Grenze verläuft die Koka-Schmugglergrenze Brasiliens, und die kennt anscheinend kein Pardon. So übernachten wir sicher an der Bushaltestelle einer handvoll Häuser, um nächstentags San Ignacio zu erreichen. Welche Wonne, im sauberen Hof von Ruedi (aus dem Toggenburg) und Miriam im Schatten zu übernachten, mit grosser warmer Dusche und einfach ein bisschen zu sein, bei ihm die Wäsche waschen zu lassen, sein integrales leckeres Brot zu geniessen… Dieter ist inzwischen auch angekommen, so verbringen wir hier 3 kurzweilige entspannte Tage. Dank Ruedi können wir auch unsere Tanks auffüllen lassen. Benzin und Diesel hier zu bekommen ist ein geduldiges Unterfangen – Touristen bezahlen eh den 3-fachen Preis, falls sie überhaupt Tankerlaubnis kriegen. An den Tankstellen warten lange einheimische Autoschlangen, um ihre Kanister, Behälter, Tanks zu füllen und diese dann teurer zu verkaufen. So hat der eine oder andere einen kleinen Zusatzverdienst, der ihn überleben lässt, so wie die Mutter, die uns den Diesel aus 20l-Bidons ansaugt. Sehr viele Autos fahren hier ohne Nummern – alles Geklaute aus Brasilien und Argentinien. Wir sind froh um Ruedis Hilfsbereitschaft, wünschen ihm und seiner Familie alles Gute und fahren weiter nach Santa Cruz.

Sehr zentral finden wir ein kleines sauberes Hostal, in deren Hof wir stehen dürfen. Es ist heiss, um die 40°, ein starker steter Wind bläst, der eigentlich typisch für August ist, aber nicht für jetzt. So haben wir immer etwas Staub zum Knirschen zwischen den Zähnen, die Hände und Kleider sind nach kurzem klebrig verschwitzt. Für Abkühlung sorgt der kleine herrliche Pool, frischer Papaya- und Wassermelonensaft kühlt unser Gaumen. Die vielen Liter getrunkener Flüssigkeit, verdunsten sofort aus unserem Körper, und nur ein kleines konzentriertes Etwa wird noch ausgeschieden. Aber es geht uns gut.

Wie stark auch dieser Ort sich von unseren gewohnten Stadtbildern unterscheidet! Beim Einfahren in die Städte verdichtet sich vorerst der Verkehr, die kleinen, sehr bescheidenen Behausungen nehmen zu, manchmal mit kleinen staubigen Vorplätzen, oft mit Gerümpel und Plasticabfall überfüllt (so wie überall neben den Strassen und weit hinausgewindet übers Land). Kleine Gemüsestände säumen den Strassenrand des dichten Lastwagen- und Autoverkehrs. In welcher ‘Autokolonne’ soll man jetzt fahren?! Grosse Industriegebäude entstehen, viele sind nur Ruinen. Autogaragen und Händler folgen dicht an dicht. Der Verkehr wird noch dichter. Wir müssen uns konzentrieren die richtige Doppelspur in die richtige Richtung zu ergattern, vorbei an durchzwängenden vielen (!) Autobussen, kreuzenden, abschwenkenden Vehikeln, hupenden Autos, rechts und links überholenden Motorrädern. Es gibt nur einen Weg hier im Stau vorwärts zu kommen – Geduld haben, sehr viel Geduld und ruhig bleiben. Bis jetzt haben wir jede durchfahrene Stadt geschafft, mal besser, mal weniger.

Ein kurzer Spaziergang ins nahegelegene Stadtzentrum ist für uns beinahe abenteuerlich. Wiederum müssen wir feststellen, dass Stadthygiene anders wahrgenommen wird. Was bei uns immer sehr reinlich und perfekt sein muss, ist hier legerer, unwichtiger. Wird zB bei uns in der Schweiz ein Strassenbord geschnitten, dann wird der Abfall gleich aufgenommen. Hier werden die Borde ebenfalls sehr gut geschnitten, der viele Plastic bleibt jedoch liegen. So manchmal auch in Hotelanlagen, der Garten ist relativ gepflegt, gefötzelet wird jedoch nicht.

Im Stadtpark treffen wir unverhofft wieder auf Dieter – dies muss natürlich gleich mit einem grossen Krug gekühltem Limonadensaft gefeiert werden. Sein Weg führt nach Sucre, der unsrige dem GranChaco entlang nach Yacuíba. In der Grenzstadt ist Markt, wir verfahren uns in ein Sackgasse. Ein freundlicher Herr steigt bei uns ein und lotst uns durch den Markt und Strassendschungel bis vor den Grenzposten. Nach verschiedenen Anlaufstellen und vier Schaltern sind unsere Pässe aus und ein gestempelt, der Wagen abgemeldet und im neuen Land Argentinien eingestempelt und was sehen wir da… aber selbstverständlich erhalten wir 240Tage Landesaufenthalt (ach, hätten wir nur so viele Tag im März erhalten – das sportliche Umparkieren von Salta nach Uruguay wäre uns erspart geblieben).



                                                Text zwischen Nord- und Südargentinien in Bearbeitung
Feuerland und Antarktis

Punta Arenas – Ob die morgige Fähre noch gebucht werden kann? Nach einer kurzen Stadterkundung mit einem Spazier dem Malecon, der langen Strandpromenade entlang, sind wir rechtzeitig zur Schalteröffnung am Fährhafen zurück. Leider verneinen die Billetverkäufer, alles ausgebucht, kein Platz mehr auf der Fähre, wir hätten online buchen sollen. Entweder, heisst es, warten bis morgen, oder Weiterfahrt bis zum engsten Punkt der Magellanstrasse und dort mit einer der häufig fahrenden Fähren übersetzen. Langsam füllt sich die Fähre am nächsten Morgen, wir warten, vielleicht fährt ein gebuchtes Auto nicht mit und wir kriegen seinen Platz. Und wirklich, kurz vor Abfahrt hätte es genau noch einen freien Platz für uns. Die Hoffnung platzt sogleich, das Bordpersonal winkt ab, die Maximum Anzahl Passagiere sei erreicht, sogar der kleine Fahrradfahrer darf nicht mit. Es ist Sonntag, die Geschäfte bleiben geschlossen, sogar das gestrige gemütliche Café hat zu. So beschliessen wir, trotzdem den alten Friedhof zu besuchen mit seinen Zypressenalleen, den prunkvollschönen Mausoleen vieler migrierter Kaufläuten und reichgewordener Einwanderer etlicher Nationalitäten, den vielen Nischengräbern, den liebevoll gepflegten oder auch verlotterten einfachen Gräbern, den kleinen Kindergräbern und irgendwo dazwischen, unauffällig und simpel die letzte Ruhestätte von Indigenen. Aber irgendwann erdrückt uns die Schwere der unzähligen Kreuze, wir müssen raus, brauchen Luft und Raum um uns. Wir spazieren nochmals zum Malecon, schauen den sonntäglich schlendernden Spaziergängern zu, einige schlenkern die Füsse im Wasser am Strand, andere amüsieren sich ob der vielen Kormorane auf dem halb zerfallenen alten Pier, wir erfreuen uns am Lichtspiel der vorbeiziehenden Wolken. Nochmals übernachten wir auf dem Parkplatz des Fährhafens, denn morgens um 08.00h wird die Fähre beladen und wir sind dabei.

Statt der vorangekündigten 4 Stunden Magellan-Überfahrt nach Porvenir, benötigt das Schiff mit starkem Rückenwind nur 2 1/2h. Ein putziges, ordentliches Städtchen, oder eher Dorf, ist Porvenir. Montags bleiben die Läden und das Café geschlossen. Also geht’s hinaus richtung Flughafen. Dort, im seichten Wasser der Lagune del Cisne (Schwanensee), die hunderten von Schwarzhalsschwänen sind heute, da Montag ist, natürlich sämtliche ausgeflogen, wachsen bei günstigen Bedingungen die Stratholithen. Die bleiben an Ort und Stelle, auch montags.

 

 

Südlich Porvenir hat sich seit einigen Jahren eine Königspinguinen-Kolonie angesiedelt. Wir freuen uns, diese ca 70cm grossen Pinguine aus etwa 30 Meter Distanz zu sehen. Montags ist der Zugang geschlossen, so müssen wir bis Dienstag warten und können in der Nähe zwischen Schafen und Guanakos übernachten. Der Zutritt erfolgt via Onlineanmeldung. Noch besitzen wir keine chilenische SiM-Karte, also hoffen wir nächstentags um 10 Uhr trotzdem eingelassen zu werden. Wir sind frühzeitig dort und glücklicherweise sind einige Besucher unpünktlich und wir werden für die vorgesehene 1 Stunde eingelassen. Köstlich, den Pinguinen zuzuschauen, wie sie sich bewegen, putzen, auf den Bauch purzeln… sie lassen uns mit ihrem Gehabe so viele Geschichten erzählen.

Beim Ausgang bittet uns eine junge Velofahrerin um Wasser, der starke Wind hatte ihr am Vortag unbemerkt zwei Wasserflaschen fortgewindet. Unglaublich, das zähe Durchhaltevermögen der Fahrradfahrer in Südamerika! Der Tag ist noch jung, so fahren wir die 150km nach Rio Grande, wieder in Argentinien. Unterwegs passieren wir die kleine Zollstelle in San Sebastian, erledigen das Ein- und Ausklarieren und erhalten für das Auto wiederum einen Tip von 90 Tagen. Dies wird für Feuerland und die 19-tägige Antarktistour genügen. …und zum ersten Mal seit 3 Jahren sehen wir den Atlantik wieder. Ausser den geschlossenen Geschäfter in der Stadt spüren wir nichts von der politischen Protestaktion gegen den neugewählten Präsidenten Milay mit seinen Restriktionen. Da wir nicht wissen, ob es heftige Reaktionen gibt anderntags, verkriechen wir uns in der schönen San Pablo-Bucht. Ebbe und Flut umspülen die Bucht, geben Sandstrände frei, viele Gänse und Enten waten und paddeln im seichten Nass, vielerlei Vögel ziehen ihre Kreise über uns, die Kleinsten und Frechsten picken an unseren Schuhen. Unweit liegt das 1984 gestrandete Schiffswrack der ‘Desdemona’. Bei Ebbe können wir um das rostige Wrack spazieren, mutige könnten sogar im einsturzgefärdeten Schiffsrest umherklettern. Angeblich sollten die Zementsäcke der Ladung noch an Bord sein. Vom idyllischen Übernachtungsplatz aus können wir das Schiff im untergehenden Sonnenlicht im Wasser spiegeln sehen.

Zwei Tage später erreichen wir Ushuaia. Und jetzt? Das südlichste Ziel ist erreicht, ein Grund zum Feiern. Ziemlich genau 100’000km sind wir seit Beginn 2017 in Nova Scotia in Ostkanada bis hierhin gefahren. Alaska-Ushuaia sind nur 17’848km Luftlinie. Wo sind die vielen restlichen Kilometer geblieben? Am Abend stossen wir bei einem guten Essen auf unsere Reise an. Richard geniesst ein Risotto mit Meereskrabbenfleisch und amüsieren uns dabei über das Geknacke und Gespritze der unbeholfenen Hantiererei mit den speziellen Zangen am Nachbartisch. Zum Glück ist unser Menü unkomplizierter.

In Ushuaia wimmelt es im Zentrum von Touristen. Täglich erreichen Kreuzfahrtschifft die südlichste Stadt und manchmal werden am Vormittag bis zu 5'000 Passagiere ausgespuckt. Nach einer Tour dem Beagle-Kanal entlang, Einwurf der Postkarte im südlichsten Post-Office und einer kleinen Exkursion nach Lapateia, dem Punkt 0 der Strasse Nr.3, geniessen wir 3 Tage im Nationalpark. Die wenigen freien Übernachtungsplätze liegen herrlich an Bachufern, idyllisch, mit freilebenden Pferdegruppen zwischen den Campern. Noch wird Papillon sauber geduscht, die Pneus von hinten nach vorne gewechselt, und wir suchen einen geeigneten Stellplatz für unser Fahrzeug während der 20-tägigen Schifffahrt. Bald ist es soweit, wir freuen uns!

Ushuaia südwärts - Antarktis - 02.-21.02.24

 

Das Gepäck ist abgegeben, Papillon steht am Flughafen, wir sind bereit für die grosse Antarktistour. Unser Expeditionsschiff, die ‘Ortelius’, gleicht einem Zwerg neben den riesigen Kreuzfahrtschiffen im Hafen von Ushuaia. Um 17.00h geht’s an Bord 104 Passagiere, dh jeder Ausflug kann mit sämtlichen Gästen aufs Mal stattfinden. Die Kabinen sind einfach aber gut, mit eigenem Bad und warm. Tagsüber bleibt kaum private Zeit. Die folgenden Tage sind ausgefüllt mit Vorträgen, Informationen, Stiefel fassen und Essen. Die Küche ist variantenreich und gut, 2x Buffet, 1x Service. Der Wind ist gut, die Falklandinseln sind nach 1 ½ Tagen erreicht. Die ersten Pinguine und Wanderalbatros werden nach kurzer Wanderung gesichtet. 5m Abstand zu den Tieren! Die hopsenden Goldschopfpinguine mit ihrem gelben langen Haarschopf sind köstlich und tragen den passenden englischen Namen ‘Rockhopper’. Und wir staunen ob der enormen bis 3,5m Spannweite der Albatrosse. Übrigens ist der längst erfasste Albatros bereits 70 Jahre alt. Die Küken beider Vögel sind noch flauschig und unselbständig. Nach jedem Ausflug muss jeder seine Stiefel gut waschen und im desinfizierenden Wasser spülen, damit die Vogelgrippe unserer wegen nicht verschleppt wird. Auf Süd Georgien wird gar eine örtliche minuziöse Kontrolle durchgeführt. Die Hauptstadt der Falklandinseln (Islas Malvinas), Port Stanley wird natürlich nicht ausgelassen. Britischer könnte der kleine Ort nicht sein: rote Briefkasten und Telefonkabinen, Häuser mit gepflegten blumigen sauberen Vorgärten, übliche Schwarzteezeremonie mit Milch, und bezahlt wird natürlich in Pfund. Die Falklandinseln machten 2013 von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch und stimmten für die Beibehaltung ihres Status als Überseegebiet des Vereinigten Königsreichs. Die Insel hat ihre eigene Regierung und ist finanziell unabhängig. Nach 3 Ausflügen setzen wir in 2 Tagen zu Süd Georgien über. Die erste zwei Ausflüge zu den Königspinguinen, Seelöwen und Seeelefanten ist herrlich. Hunderttausende Pinguinpaare brüten in einer riesigen Kolonie. So viele Geschichten erzählen sie uns durch ihr Gehabe und ihre Gesten. Dauernd überfliegen Sturmvögel die Gegend nach kranken oder toten Tieren. Leider sind die grossen und schweren Seeelefantenbullen nach der Begattung bereits wieder weitergezogen, sodass nur vereinzelt Weibchen mit ihren Jungtieren zu sehen sind. Die See ist rau, der Wind bläst mit 70 Knoten, die Wolken hängen tief. Die Stiefelkontrolle kann wegen zu hohem Schwell nicht durchgeführt werden, ebenso die nächsten Landungen. So ankert das Schiff und wir lassen uns von der Brandung, dem fliegenden Gischt und dem Licht- und Farbenspiel bezaubern. Ab und zu lässt ein Wolkenloch in rasender Geschwindigkeit ein Sonnenspiel über die grünen oder felsigen Bergflanken gleiten, ein Regenbogen entlockt uns ein ah und oh, am Wasserfall lebt eine Gruppe Adélie- und Königspinguine sowie Seelöwen. Die einstige Walfangstation kann ebenfalls nicht angefahren werden. Die Häuser sind am zerfallen, die riesigen Metallboiler rosten, der Ort wird nun von allerlei Meerestieren bewohnt. Noch 2010 lebten auf Süd Georgien hunderttausende einst eingeschleppte Ratten – eine Katastrophe für die einheimische Tierwelt. Seit 2018 ist die Insel rattenfrei, dank Grosseinsatz von mit Giftködern verteilenden Helikopterflügen. Weiterfahrend werden die Elefanten- und die Pinguin-Inseln angesteuert. Leider wiederum wetter- und windmässig ohne Erfolg. So finden wir in der gefluteten Caldera der Deception Island, deren Vulkan noch immer aktiv ist, unser nächstes Ziel. Atemberaubend das vom Meereis durchsetzt Wasser, die flinken, nicht zu unterschätzenden Seeleoparden, die grosse Stille. Die Zodiac-Tour könnte noch lange weiter dauern, wenn uns nur nicht der Hinter so kalt würde und das Essen auf uns wartet… Einmal führt eine Wanderung über den schwarzstaubige Grat eines Kraters, ein andermal besteigen wir eine Bergflanke, deren Krete von unzähligen Zügel- und Eselspinguinen bewohnt wird. Bevor man diese putzigen Tiere zu Gesicht bekommt, kann man sie riechen, meilenweit voraus, schlimmer, sie müffeln nicht, sondern stinken richtig. Die Natur richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Touristen.

Täglich kommen wir in den Genuss von kompetenten Vorträgen, sei es über Pinguine, Forschung, Expeditionen, einstigen Walstationen, Meeresströmungen, Plankton, Fotogestaltung und vielem, vielem mehr. Wirklich sehr interessant und aus wissenschaftlicher Sicht. Die Wahl unseres Schiffes war gut, jederzeit konnten wir uns auf den drei Decks und der Kapitänsbrücke frei bewegen. Die durchmischte Altersgruppe liess für Jeden passende Gesprächspartner finden. Ja, und die Drakepassage. Habe mich darauf gefreut, mich im stürmischen Gewässer wiegen zu können, aber Neptun meinte es gut mit uns allen und die See war ganz ruhig, sogar ums Kap Horn wars ruhig. Und bereits sind die Koffer wieder gepackt, bereit für die morgendliche Ausschiffung. Hatten wir zu Beginn der Reise etwas Bedenken gehabt 20 Tage auf Schifffahrt zu sein, so ist die Zeit nun doch viel zu schnell verflogen. Schön und spektakulär wars!

Ushuaia nordwärts

 

21. Februar 2024. Tagwache 06.45h, letztes Frühstück um 07.00h, denn um 8.00h heisst es adieu sagen und das Schiff verlassen. Der Bus bringt uns zum Flughafen, zu Papillon. Alles ist prima, kein Einbruch, kein Kratzer, der Motor springt sofort an. Zuerst muss eingekauft werden – nicht Zuviel, denn in ca. 2-3 Tagen werden wir die chilenische Grenze passieren müssen und möchten das Frischgekaufte nicht am Zoll abliefern wollen. Ein letzter guter Kaffee mit einem Medialuna im netten Kaffee und ein letztes Mal beim Hafen parkieren. Zum Mittagessen möchten wir Eva, die Schiffsärztin aus Biel nochmal treffen. So kommt Richard nochmals in den Genuss des leckeren Crevetten Risottos. Dann heisst es definitiv tschüss. Schon bei der Hinfahrt nach Ushuaia ist uns ein hübscher Picknickplatz aufgefallen und dies ist unser nächstes Ziel. Wunderschön liegt der Platz, zu Füssen schneebestäubter Berge, eingebettet in einem klaren sich schlängelndem Bachbett, halbwilde Pferde grasen… Auf dem Weg nach RioGrande schneit es und gleichzeitig zeigt sich am Horizont blauer Himmel. Die im Westen gegen Chile liegenden 3’000er sind hinter uns gelassen, so auch die moorige Talsohle und wieder zieht sich die unendliche Prärie sanft wellend dem Atlantik entlang. Endlich ist seit anfangs Februar die argentinisch/chilenische Grenze Bella Vista im Hinterland geöffnet, nach 4 Jahren Schliessung wegen Covid und einer weggespülten Brücke. Wir freuen uns, nicht denselben Weg fahren zu müssen den wir gekommen sind. Die Zollabwicklung erfolgt schnell und problemlos. Eine Stichstrasse würde nochmals in die chilenischen Berge und zu den Meeresarmen führen. Doch wir möchten versuchen die Fähre in Puerto Natales nach Puerto Yungay 1 Woche früher zu erreichen als gebucht. Deshalb würden uns die 200km hin und zurück zu viel Zeit rauben. Diesmal überqueren wir die Magellanstrasse nicht in Porvenir, sondern an der schmalsten Stelle mit einer stündlich fahrenden Fähre ohne Anmeldung nach Punta Delgada. Zuvor übernachten wir in Cerro Sombrero, kurz vor dem kleinen Hafen. Wikipedia beschreibt den Ort ‘Huthügel’ als im 1958 gegründete Ölfirma-Wohnsiedlung und soll als ‘Juwel’ der modernen Architektur Chiles gelten. Das überaus moderne hölzerne Touristenbüro, die für uns Reisende tollen Heisswasserduschen und Toiletten überzeugen, sowie der bunte Kinderspielplatz und das gewaltige Kino. Ansonsten gleicht das Dörfchen eher einem der armseligen heruntergekommenen Minenorte. In 20min ist die Magellanstrasse überquert. In einer Geisterstadt gibt es einen Fotohalt - zwei alte Schiffe aus dem letzten Jahrhundert rosten vor sich hin, die einstmals schönen Häuser sind am Zerfallen, einige sind seit etlichen Jahren geschlossen, andere werden als Toiletten genutzt. In Punta Arenas gehen wir nochmals gut essen, dafür ist Richard in der Nacht übel. Ob ihm die Muscheln nicht bekommen sind? Zum Glück ist nächstentags der Spuck vorbei und Richard kann einen 2-stündigen Ausflug auf einen Hügel buchen. Dort sollten sich ganzjährig gegen 200 Kondore befinden. Zurück sehen wir uns die Fotos an – kein einziger Kondor und der Guide behauptet der schöne Adler sei ein Kondor ;-D … wir sind enttäuscht. Zum Glück ist die restliche Strecke nach Puerto Natales schön und zu unserer grossen Erleichterung können all unsere Notwendigkeiten sogleich erledigt werden: Diesel tanken, Schmutzwäsche in der Lavandería abgeben, Gas auffüllen (bereitete uns Sorgen, da die Foren kaum Hoffnung auf europäische Gasflaschen gaben), Einkaufen und Platz auf dem Camping. Leider klappt es nicht mit der Fähre, alles ausgebucht. So werden wir zu Zwangsferien gezwungen, was doch auch ganz nett ist. Endlich viel Zeit zum Lesen, Schreiben, Telefonieren, Kurzwandern.

Auf dem Zeltplatz ist einiges los, viele Backpacker stellen ihre Zelte im stürmischen Wind auf, wie schnell doch die heutigen kleinen Zelte aufgestellt sind! Ein Camper versucht sein Gefährt in die genaue Horizontale zu bringen unterstützt mit Holzbrettchen unter den Rädern und dem ausfahrbaren Treppchen :-D. Eine junge Biologie-Studentengruppe aus Kanada mit ihrem enthusiastischen 80-jährigen Professor zelten und üben nebst Gesteinsunterricht Lebenserfahrungen in Gruppendynamik, einfachem Zelten mit Einkaufen und Kochen und dazu gibt es noch Autofahrstunden für Unerfahrene. Andere versuchen im stürmisch patagonischen Wind ihr Zelt aufzustellen. Endlich Noch eine Nacht, dann geht’s auf die Fähre, genug des Regenwetters. Zum Abschluss reisst der Himmel auf, ein Wolken-Licht-und Farbspektakel mit einem strahlenden Regenbogen verzaubert die einbrechende Nacht. So schön kann es sein, das Herz hüpft!

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