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Anker 1

Kolumbien

ab26.08.2021 bis
09.02.2022

Ausreise Panama - Einreise Kolumbien alles verläuft bestens. Ja, hier sind wir nun angekommen, da wo wir letztes Jahr im Frühling gerne hingereist wären. Das Containerschiff mit unserer kostbaren Fracht erreicht pünktlich den Hafen von Cartagena. Ana, unsere hiesige Agentin, hat bereits Vorarbeit geleistet, denn üblicherweise dauert es 3 Tage, bis das Auto aus Zoll und Hafen entlassen wird. Juan, der Argentinier und Richard stehen mit langen Hosen, langärmligem Hemd (musste am Vortag noch gekauft werden), geschlossenen Schuhen, Covid-Antigentest-negativ (musste auch am Vortag in einem Labor gemacht werden), Signalweste und Helm im Hafengelände und betrachten ihre Autos auf dem Flat Rack-Gestell. Ja und jetzt? Neeein, die Autoschlüssel sind auf dem Containerschiff geblieben das den Hafen bereits wieder verlassen hat. Ana nimmt uns alle zu sich ins Büro nach Hause mit. Wir werden verköstigt und warten weitere 3 Stunden. Die Autoversicherung schliesst die kolumbianische Versicherung für Juan ab und verlangt, dass die erst bezahlt werden soll, bevor sie die unsere abschliesst. Nein sowas. Wir setzen sanft Druck auf und schlussendlich klappt’s und beide Autos sind versichert. Nun warten wir auf den Hafenbrief zur Autoausfuhr, der kurz vor Feierabend doch noch ausgehändigt wird. Also nochmals zum Hafengelände und Richard darf seinen Camper mit dem Reserveschlüssel rausfahren. Juan besitzt nur einen Schlüssel, eben der der auf dem Schiff geblieben ist. Um sein Auto von der Rampe runtergefahren zu werden, muss das Auto aufgebrochen werden, was selbstverständlich zu Lasten von Juan geht, da niemand schuld ist (!). Ana ist stolz, ihre Arbeit in einem Tag erledigt zu haben. Zwei Tage später sind wir alle im Besitz unserer Autoschlüssel. Während dieser Tag erlebten wir die schöne lebendige Stadt Cartagena mit ihrem alten Zentrum, dem aufgepeppte Quartier Getsemaní mit ihren kleinen Strassen voller schönster Wandmalereien, die Burg San Felipe, die Edel- und Armenviertel und die Flaniermeilen am Meeresrand.

Touristisch ist die Karibikküste ein Magnetpunkt für Kolumbianer, das Wasser salziger und schöner als die Pazifikküste, der Strand heller und einladender. Viele aus dem Süden und Bogota reisen hierhin in die Ferien. Unsere Berner Reisefreunde, in Guatemala kennengelernt, gedenken einige letzte Ferientag in Palomino zu verbringen. Auf dem Weg zu ihnen begrüssen wir kurz eine  ehemalige Arbeitskollegin unserer Tochter an einem breiten, schönen, aber menschenleeren Strand. Die Regenzeit hat bereits wieder begonnen. Palominos Strand ist etwas trostlos und Sandfliegen verstechen qualvoll Füsse und Beine. Das Wiedersehen mit Lisa uns Steff ist herzlich. Unter dem Palmdach vor dem Regen geschützt erzählen sie von ihrer bunten Reise durch Kolumbien. 3 Monate waren sie total in diesem vielseitigen Land unterwegs, unterbrochen durch die Pandemie. Die Grenzen in den Süden scheinen noch für längere Zeit geschlossen zu bleiben, deshalb haben sie entschlossen, ihren Camper nach Hause zu verschiffen. Während ihrer Reise seien sie ausser Kolumbianern keinen Touristen begegnet. Und nun beginnt die starke Regenzeit bis Ende November.

Am nächsten Tag trennen wir uns bereits wieder - nächstes Wiedersehen irgendwann in Bern. Vor dem nächsten grossen Gutsch würden wir gerne zum nördlichsten Teil Südamerikas, der Halbinsel Guajira, nahe der venezolanischen Grenze fahren. Einen sicheren Übernachtungsplatz suchend werden wir hinter einem hohen Tor einer ehemaligen Kiteschule in Riohacha fündig. Der quirlige Italo fährt am frühen Folgetag Gäste in dieses Gebiet und muntert uns auf ihm einfach zu folgen. Nicht sehr einfach, denn er fährt schnell, erst durch die radtief durchlöcherte Asphaltstrasse, über mit Ästen versperrten Strassensperren der Indigenen, dann durch matschigen lehmsandschlamm querfeldein – wir hätten uns komplett verloren wäre er nicht ab und zu am Horizont erhascht worden. Dieses Gebiet wird mehrheitlich vom indigenen Volk der Wayúu autonom verwaltet, die gleichzeitig Kolumbianer und Venezolaner sind. Es ist eine fast wüstenhaft anmutende Savanne mit viel zähem Dornengestrüpp,  Schmuggelgebiet, rauh, unwirtlich und manchmal unmenschlich. Indigene Kinder spannen Seile als Strassensperren oder stehen mitten in Weg, die Hand ausgestreckt. Wir wurden gewarnt auf keinen Fall anzuhalten, was wir immer befolgen, hupend manchmal und Gas gebend. Am Vortag hatte es viel geregnet und unser Ziel ‚Cabo de la Vela‘ stand etwa 60cm im Wasser. Nun sind die Wege wieder einigermassen passierbar, manchmal knietief unter Wasser, die Autos schlinkernd im Matsch. Wir besuchen den Regenbogenstrand, weil die Brandung bei Sonnenuntergang einen Regenbogen hin zaubert, besteigen den heiligen Berg der Wayúu den ‚Pilón de Azúcar, den ‚Ojo de Agua‘ mit dem ‚Mirador de la Tortuga‘ und ‚El Cabo‘ mit den Leuchtturm (el faro). Für manchen Wayúu liegt hier Jepira, der mythische Eintritt ins Jenseits. Nach einer sehr ruhigen Nacht zwischen Hütten einer Kiteschule (von der Schweizerin Sabrina geführt) entscheiden wir uns im Alleingang via ‚Haupterdweg‘ zurück zu fahren, denn dunkle Wolken versprechen ein kaum Durchkommen im Matsch. Gerne wären wir zur Punta Gallina hochgefahren (dem allernördlichsten Punkt), jedoch bräuchte es einen wegkundigen Guide und Trockenzeit. Nach ca 5 Stunden kommen wir heil, und das Auto rundum eingepackt mit Matsch, in Riohacha wieder an.

Nun entspannen wir uns für einige Tage in den Hügeln im kühleren Minca, machen lange Spaziergänge zu herrlichen Wasserfällen und Planschbecken und… geniessen den leckeren Zopf eines waschechten ausgewanderten Berners.

Südwärts folgen wir der stark befahrenen 45er. 75° der Fahrzeuge sind schwere 40Tönner, 15° Töffs und der Rest Autos. Der Übernachtungsplatz ist wieder einmal ein Truckerrastplatz und Richard gerät ins Fotofieber beim Einnachten und den bunten vorbeifahrenden Lichtern. Genug der vielen Trucks freuen wir uns über einen Schwenker durch das ebene Schwemmland des enormen Rio Magdalena. Vieles steht unter Wasser, so auch knietief die Kühe, manchmal Wasserbüffel und bauchtief die Pferde. Von den sehr ärmlichen Häusern wird direkt in den Einbaum gestiegen. Ob das Gebiet ganzjährig unter Wasser steht weiss ich nicht, aber sicher oft. An Santa Cruz de Mompós, kurz Mompox, unserem nächsten Ziel, fahren wir erst vorbei. Mumpitz, dachten wir – die ärmlichen Häuser der Hauptstrasse entlang laden nicht zum Halten an, auch finden wir keinen Eingang ins Dorfzentrum, zu schmale Strässchen. Nach konsultieren der Karte und des Reisebuchs müssen wir feststellen, dass es doch der richtige Ort ist. Also zurück und nach Fragen finden wir doch hinein. Ein lohnenswerter Ausflug: koloniale Baukunst, mit maurischen und indigenen Einflüssen und explosiv zugewachsenen Patios (Innenhöfen). Frech übernachten wir vor einer der Kirchen am Wasser und fühlen uns total sicher.

Die Leute hier sind ganz extrem freundlich, manchmal so zuvorkommend und hilfreich, dass es uns beinahe zuviel wird und wir dann fluchtartig den Ort verlassen; z.B. eine Ortsführung anbietend, damit sie in den Genuss des Englischübens kommen, oder nach einem Plauderminütchen das Haus zeigen wollen, oder rumtelefonieren für einen sicheren Übernachtungsplatz für uns, oder vielleicht doch noch einen Ameisensnack versuchen? Das krakenförmig sich ausbreitende Bucaramango umfahren wir in Richtung San Gil. Viele Baustellen, mit Rotlicht einbahnfahrende Tunnels, beinahe nur Lastwagen schlängeln sich die Passstrasse hoch, immer höher bis zur Passhöhe – und da steht ein Park mit allerlei Zerstreuungen, für jeden Adrenalinspass etwas: z.B. ein moderner Aquapark, Felswipfelpfad, Gleitschirmtandem, Seilbahn über den Schlund des imposanten Cañon Chicamocha… Zum Schlafen geniessen wir unweit ein herrliches Panorama bis weit ins Tal.

Ob San Gil, entlang wuchtiger Greisenbart (tillandsia) behangener Bäume, erwartet uns das hübsche, saubergewischte Barichara, angeschmiegt an einer Felsabbruchkante, mit ihren weissen, meist einstöckigen Häusern und den ziegelgedeckten Dächern an der mit natursteinen ausgelegten steilen Strassen. Einige Tage erholen wir uns bei Joep und Julia, zwei vor Jahren hier ansässig gewordenen Holländern. Ihrem Architekten (und Archäologie-)  Beruf können die beiden freien Lauf geben, und es ist ein traumhafter Ort zum Wohlfühlen geworden.

180m hoch ist der schmale Wasserfall Juan Curí, der in einer Schlucht mit üppiger Vegetation nach etwa 20min erreicht wird. Eine Fallstufe höher kann man baden. Nach einer weiteren steilen Fallstufe erreicht Richard den 2. gleichhohen Wasserfall und winkt zu mir herunter. In der Zwischenzeit haben mich Kolumbianer überredet wie sie unter dem Fall zu duschen. Das Wasser ist kalt, und wie ihresgleichen stelle ich mich mit allen Kleidern darunter. Viele sitzen im Bachpool und ich wundere mich wie die sonst so gfrörligen Einheimischen es so lange im frischen Nass aushalten. Nochmals staune ich wer und was alles hier heraufkommt: Grossmütter an Stöcken, Grossfamilien mit Kleinkindern und Kinderwagen, Picknickkörben, Bebes unter dem Arm geklemmt, Musikboxen… Vor kurzem waren wir noch alleine, nun findet man kaum einen leeren Platz. Zeit zurückzukehren.

Statt über San Gil um die gute Strasse nach Sogamoso zu nehmen (nur 2 Std) entscheiden wir, im selben Tal südwärts zu fahren, zwar mit schlechter Asphaltstrasse, aber in 4 Std. machbar. Charalá ist hübsch, der Park vor der Kirche mit dem über den ganzen Platz ausladenden Riesenästen des Samán- oder Regenbaumes, ein kurzes Plauderstündchen da und dort, dann der heutige Stiermarkt mit Vehhändlern – ach, es gibt wieder so viel zu sehen. Ja dann kommt die kleine Brücke, wir hätten nur der Asphaltstrasse folgen sollen, aber MapsMe zeigt auf die Erdstrasse. Das Resultat ist eine Tagestour auf Holperpiste und Erdweg, aber sehr spannend, an einsamen Hütten vorbei, durch Farnbaumwälder, ein Bach mit rotem Wasser gurgelt über gelbe Steine, an einem Tao(sekten)dorf vorbei, das weit weg der Zivilisation liegt, bis zur Verzweigung wo zum Glück ein lachender Herr steht, der uns in die andere Richtung schickt – ja, nur noch etwa 3 Std Fahrt, die Strasse werde besser :-D meint er. Und dann, es dunkelt bereits, ist er vorgesehene Übernachtungsplatz eine enge Sackgasse. Leute eilen zu Hilfe um Richard rückwärtsfahrend aus der kleinen Misere zu helfen, der zweite Platz gibt es unterdessen nicht mehr, also weiter zum Totasee über einen kleinen Pass. Inzwischen ist es dunkel, zwei weitere iOverlander-Plätze sind auch nicht mehr gültig, so fahren wir nach Aquitania (3100m) und schlafen ruhig und sicher am Dorfplatz. Die Leute hier tragen Ponchos und Hüte und viele indigener Abstammung arbeiten von Hand auf den unzähligen Zwiebellauchfeldern rund um den See.

In wenigen Stunden erreichen wir über kahle Berge auf ausgezeichneten Strassen fahrend Villa de Leyva, das touristische Kleinod, gepflegt, ökologisch denkend, gut organisiert.

Das kleine Städtchen gefällt uns, die kopfsteingepflasterten Gässlein sind gesäumt von gekalkten Häusern im andalusischen Stil, in deren Patios Bougainvillea und Oleander wachsen. Blumen hängen von den Balkonen, Restaurants, Cafés, kleine Hotels und Kunstgewerbeläden dominieren den Ort. Die Umgebung ist reich an fossilen Funden, und um Villa de Leyva touristisch noch attraktiver zu machen stehen abenteuerliche Vergnügen zu Verfügung: Reiten oder Quad zur Miniwüste und den künstlichen tiefblauen Seelein, Velofahren in luftiger Höhe auf Drahtseilen, den extrem schmalen Pfad über einen steilen Hügelgrat überwandern (der Engelsweg), es gibt viele Wanderrouten in der Region, oder gemächlicher ein Weingut (Kolumbianer sind selten Weintrinker) oder Spuren antiker Wandmalereien besichtigen oder das 1500 Jahre alte Himmelsobsarvatorium der Muisca-Indianer (das kolumbianische Stonehenge) bestaunen. Uns beeindruckt das surreal anmutende Terracotahaus des Architekten Octavio Mendoza, erbaut aus dem Lehm der Gegend und Stück um Stück vor Ort gebrannt. Es ist über das Dach begehbar und obwohl es wegen Covid geschlossen ist, lassen die grossen verglasten Portale genügend Einblicke in das faszinierend/skurrile Innere.

Wenige Kilometer entfernt liegt Ráquira, das Töpferdorf. Sie bieten Töpferwaren in allen Grössen und Formen an und natürlich Hängematten in allen Farben. Die wenigen Strassen zieren Häuserfassaden in den leuchtendsten Bemalungen mit kolorierten Balkonen und Balustraden und dazu die überfüllten Souvenierläden – eine wahre bunte Überforderung der Sinne.

Uns zieht es in die Ruhe der Natur. Las Gachas ist ein kleiner Fluss, erreichbar wieder mal über schauerlichste  Asphaltstrasse unberechenbar gespickt mit grossen Löchern hinter Kurven lauernd, markiert durch einen eingesteckten Ast oder Pneu, tiefen Verwerfungen, die man ganz langsam zu umfahren versucht, oder ‚ist da nicht ein Stück Strasse abgerutscht‘? Die folgende kilometerweite Erdstrasse ist kein bisschen besser. So erreichen wir den kleinen Ort Guadalupe in den Bergen. Die alte grosse Kirche ist sehr schön, vor allem mit dem davor üblichen Park, dieser aber bestückt mit 60 Palmen. Anstatt die Strasse zu verbessern wird eine neue riesige Kathedrale ausserhalb des Dorfes gebaut zu Ehren der schwarzen Maria von Guadalupe in Mexiko. Da sind meine Gedankengänge etwas verwirrt. Der vorgesehene Übernachtungsplatz ist wegen Bauarbeiten geschlossen, so dürfen wir uns trotzdem zwischen Kühen, Pferden und Handwerker in die Wiese stellen. Der Fluss ‚Las Gachas‘ ist etwas ganz besonderes. Er führt nicht viel Wasser, das höchstens handbreit über glatten Stein fliesst. Dazwischen aber haben sich ‚Jacuzzi‘-Becken gebildet bis zu 2m Durchmesser und manchmal bis 7m tief. Bei warmem Wetter einladend zum Bade. Aber Achtung, nicht vergessen in Socken über die nasse Bachfläche zu laufen - Rutschgefahr!

Ja, und dann heisst es zurück über die schlechten Strassen, neu mit meinem Arm im Gibs. Uns scheint, die steilen Berghänge, obwohl zum Teil dicht bewachsen, seien stets in Bewegung, die Hänge rutschen, das viele Wasser der langen und teils heftigen Regenperioden (von April bis Juni und von Oktober bis Mitte Dezember) unterspülen das Erdreich und tragen es grossflächig ab. Wie sollen da Strassen beständig sein? Oder fliesst das Staats- oder Departmentgeld in die falschen Löcher? Ich weiss es nicht.

Dieses Jahr regnet es anscheinend besonders heftig, die Wassermassen seien gewaltig. Wir haben noch nie so heftige Gewitter erlebt, wo ein Blitz den andern jagt und der Donner die Erde erbeben lässt. Einmal zuckte und krachte es dermassen, dass der ganze Strom der Umgebung ausfiel und zum Nachtessen im Haus nebenan kurzerhand Kerzen auf dem Tisch standen und ein Feuer im Kamin flackerte. Dicke Käfer suchten kribbelnd in unseren Dekolletés Unterschlupf. Es war gemütlich wie in einem Berghaus.

Die nächsten drei Orte imponieren durch ihre drei speziellen Kathedralen. Chiquinquirá ist die spirituelle Hauptstadt Kolumbiens. Die neoklassizistische doppeltürmige Basilika de Nuestra Señora  ist Pilgerort das ganze Jahr über. Papst Johannes Paul II besuchte 1996 das sich hier befindende wundertätige Bildnis der Jungfrau. Auf dem Marktplatz feilschen Schwarzhändler mit echten und falschen Smaragden um Käufer. In langen und schwierigen Kilometern durch die Berge werden in Otanche Hänge und Erde nach den edlen Smaragden durchpflügt.

Ubaté besticht mit ihrer hübschen weissen gotischen Kirche. Während Richard in einer Werkstatt eine Schraube im Pneu durch einen Flick ersetzen lässt, suche ich einen kleinen Laden auf, denn hier ist die Gegend der simmentaler Milchkühe (natürlich auch andere Rassen) und entsprechend wird hier anderer Käse als nur mozzarellaähnlicher hergestellt.

Die dritte aussergewöhnliche Kirche befindet sich in Zipaquirá. Es ist die Salzkathedrale. Kolumbien war vor millionen von Jahren, als die Erdplatten andere topografische Formen aufwiesen, noch von einem Meer überflutet. Deshalb bestehen die Berge in dieser Gegend zu 70 % aus Salz. Bereits die Muisca-Indianer handelten mit in Gefässen zu Stein getrocknetem Salz. Die Minenarbeiter bauten  1954 aus Glaube und zu ihrer Hilfe und Unterstützung eine Kapelle in der Mine. 1995 entstand diese weltweit grösste und 3-schiffige unterirdische riesige geheimnisvoll beleuchtete Kathedrale. Besucher wandeln erst auf einem unterirdischen Kreuzweg, bevor sie in die Kathedrale hinabsteigen. Ein Engel grüsst mit der Inschrift ‚Ihr seid das Salz der Erde‘.

Unweit, hinter dem Stausee von Tominé, liegt der Bergsee von Guatavita in einem vor 2‘000 Jahren entstandenen kreisrunden Meteoritenkrater. Früher, in der Welt des Volkes der Muisca war hier der ‚Nabel des Universums‘ und damit einer der heiligsten Orte überhaupt. Eine Legende erzählt, dass der Lokalfürst zu Festivitäten und Ritualen ein Floss bestieg, eingeölt und bestäubt mit purem Gold (El Dorado), und in der Mitte des Sees ein Bad nahm, währen das Volk ihm huldigte und Arbeiten aus Gold in den See warf. Sie wussten hervorragend das pure Gold zu Ritualgegenständen und Körperschmuck zu verarbeiten. Die Suche nach Eldorado , ausgelöst durch pure  Goldgier, trieb viele Konquistadoren, Abenteurer und Glücksritter in den Tod. Viele der gefundenen Goldgegenstände wurden während der Eroberung Amerikas eingeschmolzen und nach Spanien verschifft. Etwa 35‘000 Objekte sind im interessanten Goldmuseum in Bogota zu bewundern. Noch heute ist die Lagune von Guatavita ein Heiliger Begegnungsort für Indigene.

Bevor wir nach Bogota, Kolumbiens Hauptstadt, fahren, müssen wir unbedingt im bekanntesten, und auch von Tina und Felix empfohlenen kolumbianischen Restaurant essen gehen. ‚Andrés Carne de Res‘ in Chía. Ein wirkliches Abenteuer, gross verwinkelt, ein Gemisch aus Halle, Werkstatt, Scheune, angefüllt, nicht nur aussen, mit allem möglichen, skurrilem, fantasievollem Plunder und Zusammengewürfeltem, überladen, funkelnd, chaotisch, interessant, staunend, sogar auf der Toilette ein Erlebnis, was bewegt sich denn da…  Die Gäste, allesamt gut gelaunt, sitzen lachend und laut schwatzend an den Tischen, der Bar oder schwingen das Tanzbein, natürlich wie immer begleitet mit dröhnender Latinomusik oder amerikanischen Oldies und gleichzeitig einer improvisierenden Musikgruppe. Viele Kellner schwirren umher (vermutlich Studenten), ja und sogar das Essen ist lecker. Zu unserer Freude dürfen wir auf dem grossen Parkplatz übernachten. Da Halloween ist umgarnt uns unterwegs eine schauerlichschöne Rokkokogruppe mit säuselndem Gesang und gespenstischernsten starrverfolgenden Augen, ganz nah, die räumliche Distanz überschreitend. Da sträuben sich unsere Nackenhaare ;-).

In Bogota wird uns dringendst empfohlen gewisse Zonen nicht zu Fuss zu betreten, auch gibt es unsichtbare Linien die aus Sicherheitsgründen nicht überschritten werden sollten. Einmal, wir wollten die kurze Distanz von ca. 1km laufen, als ein Taxi hielt und uns dringlich empfahl sofort einzusteigen, die Gegend und der Park sei für uns Touristen (mit Fotoapparat umgehängt) viel zu gefährlich. Vermutlich hatte er recht. Endlich wird mein Handgelenk im Country-Spital operiert und erhält eine kostbare edle Platte. Der Handchirurg arbeitet sehr professionell und das Spital ist gut durchorganisiert.

Auf Empfehlung stehen wir zentral in einem geschlossenen Parkplatz und können von da aus gut zu Fuss ins Zentrum gelangen. Die Siebte Strasse gehört seit einigen Jahren den Fussgängern, Velofahrern, Joggern aber auch Strassenverkäufern, Künstlern, Alkoholikern und Bettlern. Sobald es eindunkelt verwandelt sich die lebhafte Strasse in einen Sumpf der Ausgestossenen. Diese bunte Strasse führt uns zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt wie Kirchen, Regierungsgebäuden, Plätzen, dem Goldmuseum, dem Kunstmuseum mit unter anderem den herrlichen Bildern und Plastiken von Botero (sowie einigen Bildern aus seiner Privatsammlung, darunter Picasso, Matisse, sogar ein Giacometti). Während dreier Stunden erfahren wir auf einer hervorragenden ‚Freewalking Tour‘ interessantes über Geschichte, Stadt und Leute. Natürlich geht’s mit der Standseilbahn hoch hinauf auf den Gipfel Monserrate (3‘150m) mit Blick auf die verhangene Savanne Bogotas und die wolkenverhüllten Vulkane. Gerne wären wir mit der Seilbahn wieder runter, doch ist sie zur Zeit ausser Betrieb. Also, los, die 1605 Stufen runter schaffen wir doch leicht. Noch nie haben mir die Beine unten so stark gezittert!

In 2 Wochen wird der neue Armgibs bereits wieder abgenommen. Was während dieser Zeit unternehmen? 14 Tage Hotel und nichts tun, meinte der Arzt. Irgendwie fällt uns dieser Gedanke schwer. In dem kleineren Ort Silvania finden wir einen schönen Platz mit ganz lieben Menschen und einem Schwimmbecken. Hier bleiben wir einige Tage, bevor wir zur Tatacoa, einer kleinen Steinwüste weiterfahren. Die bizarren Steinkegel bilden rote und graue Canyons, ähnlich dem Brice-Canyon in den Staaten. Die schwarzen Nächte der Tatacoa-Wüste sind berühmt und Sterngucker kommen voll auf ihre Kosten. Ich freue mich auf die tollen astronomischen Führungen. Doch leider ist an beiden Tagen der Himmel mit dicken Wolken verhangen, schade. Janu, vielleicht bietet sich in Chile, oder sonstwo in den Anden nochmals eine Gelegenheit. Auch ohne auf dem Boden liegend den Himmel bewundernd, haben uns hunderte von Sandfliegen gestochen. Am nächsten Tag sehen wir beide aus wie an wilden Blattern erkrankt, und es beisst zum Wundkratzen. Nichts wie weg da! Wie auf dem Hinweg, so finden wir auch auf dem Rückweg durch Dickicht und Hotterweg eine abenteuerliche kleine Holzfähre, die uns sicher auf die andere Seite des Rio Magdalena führt. Wieder in Silvania lassen wir unser Wehweh etwas ausheilen. Señora Nelly, das 32jährige Herzstück verwöhnt uns kulinarisch, auch Don Alejandro und sein Bruder Don Johan, die beiden Patrons, schauen, dass es uns an nichts fehlt. Nelly wird in den nächsten Tagen Grossmutter und freut sich riesig. Sie unterstützt ihre alleinerziehende Tochter, sowie ihren jungen venezolanischen Partner. Eine tapfere, energievolle Frau, wie es so viele ähnliche Schicksale in Kolumbien und Lateinamerika gibt.

Zurück in Bogota umgehen wir mit Hilfe meines Arztes die Papierfülle administrativen Aufwandes. Schnell nimmt er den Gibs ab und nach einem Röntgenbild heisst es 2 Wochen Schiene und dann Therapie, bzw. Übungen machen – hurra. Also weiter Richtung Medellin.

Bogota – Medellin ist eine wichtige Verbindungsstrecke für Lastwagen, Reisende, Busse. In ca. 10 Stunden ist der Weg von den Ost- über die Zentralkordilleren zu bewältigen, es sei denn, unterwegs sind keine Bauarbeiten, keine verschüttete Strassenabschnitte, keine Unfälle, keine sonstigen Staus und keine langsam dahinkriechenden Trucks. Wir erfreuen uns der ganzen Palette, warten hier gemütlich in einer kilometerlangen Lastwagenschlange, halten mal für einen guten Kaffee an oder übernachten einige Male an lauschigen Orten. Einmal, der ausgewählte Übernachtungsort war wegen Bauarbeiten geschlossen, durften wir ganz im Grünen vor einem Privathaus parken, Sí claro, hiess es sofort, und die Bewohner brachten Richard gar ein Bier zum Anstossen. Sí claro, auf dem Parkplatz eines öffentlichen Schwimmbades, sí claro, als wir den Platz wechselten weil er sumpfig und schmuddelig war. Kaum im Städtchen Honda angekommen stoppte mit einem Redeschwall eine Motorradfahrerin, Journalistin wie sich kurz darauf herausstellte. In welcher Mission wir unterwegs seien wollte sie wissen. Wir seien nur Touristen musste ich sie enttäuschen, nach einem Übernachtungsplatz suchend. Und während sie noch mit uns redete, gleichzeitig telefonierte und noch mit dem Beifahrer verhandelte, hielt bereits ein Auto neben uns, wir sollen dem nachfahren und weg war sie. Das Auto führte uns zu einem schönen Ressort – wir können auf dem Parkplatz stehen wenn wir wollten, Strom, Wasser, Dusche, Schwimmbad etc. stehe zu Verfügung, es gäbe auch nette Bungalows. Wir wählten zur Abwechslung das Zweite mit schöner (warmer!) Aussendusche und genossen einen langen Spaziergänge über Kuhweiden zum Wasser. Hondas alte Markthalle war herrlich, noch nie sah ich so viele lachende, neckende und aufgestellte Menschen in einer Stadt. Sie freuten sich am Fotografiert werden, machten Witze und weitum hörte man schallendes freundliches Lachen. Adieu Honda, einst bedeutendster Binnenhafen Kolumbiens am Rio Magdalena.

Einige Dörfer weiter suchten wir einen schattigen Parkplatz um etwas auszuruhen und eine Kleinigkeit zu Knabbern. Kaum ausgestiegen bestätigten zwei Herr den sicheren Platz, wir seien sicher müde, ob wir nicht zu ihnen reinkommen möchten, vielleicht Duschen, uns ausruhen, doch doch, kommt unbedingt rein. So liessen wir uns für einen Moment in ihr Reich entführen, wurden mit erfrischendem Limonensaft und Patacones (Kochbananentätschli) im traumhaften Patio (Innenhof) verwöhnt. Sowas von selbstverständlich, liebenswürdig und herzlich! Beim Abschied erwähnten sie noch, wir können sie bei Fragen, Unklarheiten zu unserer Reise oder Problemen jederzeit kontaktieren. Und sie meinen es ernst. Vielen Dank Señores Enrique y Jorge y Señora Dolly!

Unser Ziel ist der 1970 aufgefüllte Stausee von Peñol, der die vielen zerklüfteten Täler bedeckt und eine künstliche Landschaft entstehen liess mit vielen Halbinseln und Inseln. Wohlhabende Kolumbianer haben hier ihr Feriendomizil mit Segel- oder Motorbooten und anderen Wasseraktivitäten im frühlingshaft frischen Wasser. Das schmucke Guatapé wird von puppenhaft bunten Häuschen dominiert mit traditionell gestalteten Zementsockeln. Die vielen Farben werden uns bald Zuviel und wir fahren zur Hauptattraktion dieser Gegend, dem 200m hohen grauen Granitmonolithen, der vom See aus an den Zuckerhut von Rio de Janeiro erinnert. 659 Treppenstufen führen auf die Bergspitze, von der man eine herrliche Rundsicht hat. Selbsterprobt!

Viele unserer Reisefreunde standen oberhalb Medellin in Santa Elena, oder liessen ihr Reisegefährt während der Pandemie dort stehen. Wir wissen, dass Santa Elena hoch über Medellin liegt, auf ca. 2600m, dass es jedoch so frisch und regnerisch ist hätten wir nicht erwartet. Pat und Neil, ein englisches Paar, sie wurden nach 3 Jahren Südamerika hier blockiert, sind nun damit beschäftigt,  ihrem LKW-Wohnmobil nach 18 Monaten pandemiebedingtem Stehenlassen, wieder den alten Glanz zurückzugeben. Der Motor springt beim ersten Kick wieder an. Wie wird die DIAN, das Büro der Aufenthaltsbewilligung für das Auto, reagieren? Werden sie das Auto wieder einlösen können und die erhofften 90 Tage erhalten? Bevor wir es wissen müssen wir unbedingt für einige Tage an die Wärme.

Nach längerem Überlegen entschliessen wir uns eine Schlaufe zu fahren an die Karibikküste westlich von Cartagena Nähe des Dariengebietes. Ist das Gebiet noch immer von Guerillas, Paramilitärs etc. besetzt? Eine Umfrage an mehreren Orten lässt uns zuversichtlich aufbrechen. Erster Halt ist Santa Fe de Antioquia, ein koloniales Kleinod mit engen Gassen aus Kopfsteinen, in denen sich wie in so vielen Dörfern der Auto-, Töff- und Lieferwagenverkehr, Tucktucks nebst Pferden, Fussgängern und Velofahrern durchdrängt. Auf dem Dorfplatz lässt sich gut flanieren, eine frische Limonade trinken und am Pool beim Übernachtungsplatz ein erquickendes Bad nehmen. Wir verstehen die Medellíner, die gerne für einige Tage ihre Stadt gegen Santa Fe tauschen. Die kleine gedeckte Bambusbrücke begeistert uns genauso wie die alte 291m lange Stahlseilhängebrücke über den Rio Cauca. Heute dürfen nur noch Tucktucks (werden hier Mäusetöffs genannt - Motoratónes), Motorräder oder der Krankenwagen über  die Holzbohlen der schwankenden Brücke fahren. 1890 war dies mit 160 Tonnen Eigengewicht die gewaltigste Hängebrücke Südamerikas und vermochte 255 Tonnen Last auszuhalten.

Von Santa Fe nach Cañasgordas muss mit Strassenbauten gerechnet werden. Wie sind wir überrascht eine nigelnagelneue hervorragende breite Strasse vorzufinden. In flottem Tempo nehmen wir unsere ersten ‚zahmen‘ Berge der Westkordillere. Dann aber oha, die Berge rücken zusammen, deren Flanken werden steiler, die Täler zu Schluchten. Es ist die Pan-American-Highway oder die No. 62, das Trassee schmal, viele Hänge im unstabilen Gelände verschütten immer wieder die sonst so havarierte Strasse. Auf der ganzen Länge, bis Ende der Berge bei Mutatá, wird eine neue verbreiterte Strasse gebaut mit vielen Tunnels (noch während des Baus jeweils in einer Richtung auf holpriger Lehmbahn befahrbar). Und wer wohl finanziert diesen gewaltigen Bau? … die Chinesen! Für die knapp 170km benötigen wir einen ganzen Tag und kommen frühnachts müde und froh in Mutatá an. Eingeklemmt zwischen den vielen Trucks schlafen wir herrlich. Bis in die Ebene nach Turbo begleiten uns nur noch wenige Hügelausläufer und hauptsächlich Farmland und Bananenplantagen. Die Bucht Bahía Colombia lädt nicht zum Bade, das Wasser ist verschmutzt von Sedimenten, Gehölz und Angeschwemmtem der vielen einmündenden Flüsse. Die Hafenstadt Turbo besuchen wir nur kurz, da ich gelesen habe, dass viel Kriminalität herrscht und die Gegend von Guerillas und Paramilitärs heimgesucht wird, auch Militär und Polizei sehr präsent ist. Bewohner bestätigen zwar, die Stadt sei sicher. Ein neuer grosser Hafen ist im Entstehen, die Infrastruktur von den Chinesen. Über die Siedlungen Dos und Tres (Zwei und Drei) fahren wir ins Landesinnere auf der Suche nach einem Lehmvulkan. Bei einem Indigenendorf werden wir fündig, jedoch ist der kleine Vulkan ausgetrocknet. Nur bei bestimmten Wetter bewege sich die Oberfläche noch sagt man uns. Er dient heute als Ritualort. Viele ausgebleichte Kuhschädel liegen zwischen den Lehmkegeln. Auf dem Weg zurück erhaschen wir einen kurzen Blick auf eine herrliche Finca, eingebettet  zwischen Entenweiher und Blumenhainen. Nur Drogenbarone oder Grossgrundbesitzer können sich solche Villen leisten.

In Necoclí dürfen wir direkt am Strand stehen. Vor wenigen Tagen seien hier noch tausende Venezolaner gestanden, in der Hoffnung, mit einem Schiff nach Panama zu gelangen. Ob sich viele getrauen den beschwerlichen und gefährlichen Weg durch den Darien zu nehmen? In Arboletes finden wir einen hübschen Campingplatz mit Blick aufs Meer, leider mit 24 Stunden Musikbetrieb und das mit voll dröhnenden Boxen. Ich sehe Richard angeregt mit einem Mann plaudern. Toll, finde ich, sein Spanisch bessert sich. Später, bei einem Bier, stellt sich heraus, dass Axel vor Jahren aus Deutschland ausgewandert ist und heute mit einer Kolumbianerin verheiratet in der Nähe lebt. Und wenn es uns zu laut ist, sollen wir doch zu ihm rüberfahren, claro - was wir später am Abend auch machen werden. Ganz in der Nähe ist ein anderer Schlammvulkan, etwa 30 m hoch mit einem Durchmesser von 63m und ca 25° Temperatur. Die feine Konsistenz verhindert ein tieferes Einsinken als bis zur Brust. Nun sind leider Arbeiten am Krater, um das ganze besser zu vermarkten, also kein Zutritt. Zum Glück schwappt etwas Schlamm zum Meer, genug, um am Strand eine weitere Plantsch-Attraktion zu bleiben. So hat man die Möglichkeit, als kleiner Zombie direkt ins Meer ein-  und um 10 Jahre jünger wieder aufzutauchen…

In den nächsten Tagen läuft unsere Aufenthaltsbewilligung ab. Müssen wir nun nach Medellín, nach Cartagena oder nach Bogota? Zum Glück, wie wir erfahren, können wir alles in der nahen Stadt Montería direkt an unserem Weg erledigen. Ein letzter Blick zurück an die Karibikküste, dann führt uns die Strasse geradeaus bis vor das Migrationsbüro. Nein, wir müssen unsere Aufenthaltsbewilligung per online anfordern, heisst es und unsere Pässe einscannen. Aber gleich da drüben sei ein Internetcafé, wo wir alles erledigen können. Kurze Zeit später werden wir ins Büro eingelassen und unsere Pässe erhalten weitere 90 Tage eingestempelt. Die Zeit reicht gerade noch die DIAN aufzusuchen, die Steuer- und Zollbehörde, denn auch unser Camper benötigt die 90tägige Transitbestätigung. Wir sollen am nächsten Tag um 9 Uhr wieder kommen, meint der freundliche Portier, und unsere notwendigen Unterlagen mitnehmen. Nächstentags werden wir vom Selben erkannt und direkt in das betreffende Büro im 3. Stock begleitet. Wir werden überaus freundlich von der Señora empfangen, wo wir die nächsten 6 Stunden absitzen, unterbrochen von einigen Tassen Kaffee, einer Einladung zum Mittagessen und vielen Fotokopien. Der nächste Tag unterscheidet sich nicht viel vom gestrigen, es wird viel telefoniert nach Medellín, Bogota, Cartagena zu Ana, die uns die erste DIAN ausgefüllt hatte. Auf dem Weg zur Direktorin können wir uns die Beine etwas vertrampen, das Hilfspersonal bringt uns schon automatisch ab und zu Kaffee und die zwei Sekretäre, eilen für neue Kopien. Richard ist schon ganz unruhig. Und plötzlich ist es soweit. Señora erscheint mit einem riesen Stapel Papier der von allen Anwesenden unterschrieben werden muss, inkl. Richards Fingerabdruck, - das Ganze gelangt zur Absegnung zur Direktorin und die beiden Sekretäre müssen den Camper auf die korrekte VIN-Nummer kontrollieren und einige Fotos vom Auto und dem Kontrollschild knipsen. Fertig! Wir alle auch J. Bleibt nur noch die Erneuerung der Autoversicherung, und dies erledigt uns unverzüglich Ana, unsere Agentin in Cartagena. So, nun dürfen wir weiter legal 90 Tage in Kolumbien verweilen.

Die Señora empfahl uns dringendst in Planeta Rica nicht anzuhalten und weiter zu fahren wegen Kartellkämpfen der Kokainmafia. Also suchen wir in Caucasia einen Platz für die Nacht und werden vor dem Rathaus fündig. Und eben findet eine Frauendemo statt gegen den Krieg in Nord-Antioquia, den Enteignungen, Ihren Toten Männern und Söhnen, den Frust gegen die Kokaplantagen und für den Frieden. Indigene-, Schwarze- und Weisse Frauen vereinigten sich an diesem Tag. Kolumbien selbst ist sehr gegen Narcos und irgendwelche Art von Drogen und befürwortet die Kokainmafia überhaupt nicht. Nach einem Riesenhotdog und Geplauder mit jungen Studenten samt Selfies (die sind Neugierig und gesprächig die Kolumbianer!) finden wir endlich Ruhe. Auf der Strasse No 25 geht’s über Bergrücken sanfter von Tal zu Tal Richtung Medellín. Im steilen Städtchen Yarumal gibt es ein kurzes herzliches Kaffeegeplauder und in der ‚Betania‘ Käsefirma stärken wir uns mit köstlich fluffigen Käsebrötchen.

Axel (aus Arboletes) hatte für uns einen Übernachtungsplatz bei einem Freund in Guarne organisiert (claro!), nicht so heiss wie in Medellín und nicht so kalt wie in Santa Élena. Nach kurzem Anruf bei Raimund wissen wir von der Abkürzung, um Medellín zu umfahren. Ob der Weg hier hochführt? Doch, ein kleiner Bus fährt auch hoch mit zwei Jungs auf Velos im Schlepptau. Irgendwann, uns kommt die schlechte Strasse sehr fraglich vor, erkundigen wir uns am Wegrand, ob die Strecke hier uns ans Ziel führe. Ja, und auch er würde diese Abkürzung vorziehen. Also Untersetzung rein, auf 4x4 wechseln und langsam kriechen wir die unglaublich steile Einspur hoch und schaffen knapp die kurzen engen Serpentinen. Glücklicherweise kommt uns niemand entgegen. Und plötzlich stehen wir vor der oberen Schnellstrasse und somit auch bald vor Raimunds Tor. Aber oha, viele Tore haben in einer Höhe von etwa 3 Metern einen Querbalken, dieser ist zusätzlich überwachsen mit traumhaften Boughenvillen, und unser Auto ist 3.10m hoch. Vielen Dank nochmals Axel und Raimund für eure Selbstverständlichkeit und Gastfreundschaft! Inzwischen ist es dunkel geworden, ist ja bereits 18.00h vorbei, so finden wir am Stadtrand von Guarne auf einem Parkplatz ein Ersatzplätzchen. Ein sympathischer venezolanischer Flüchtling passt auf. Nächstentags fahren wir wieder nach Santa Élena und erfahren von den Engländern Pat und Neil, dass ihre Aufenthaltsbewilligung für ihr Auto erst 0 Tage verlängert wurde (kann doch nicht sein!), dann, nach längerem Verhandeln, 15 Tage gekriegt haben. Da Ecuadors Landesgrenzen noch immer geschlossen sind, bleibt nur noch für sie die Fahrt nach Cartagena und das Auto irgendwohin verschiffen. Wir hoffen, dass Ute und Hans, zwei deutsche Reisefreunde, die in den nächsten Tagen ebenfalls nach der Pandemie zurückkommen, mehr Glück haben werden und die Gelegenheit erhalten, Kolumbien für 90 Tage zu bereisen.

Bis Ute und Hans in Kolumbien ankommen (sie bringen ein Ersatzteil für uns mit), fahren wir für einige Tage südwestwärts nach Jardín in der Hoffnung, die drolligen rotköpfigen Vögel zu sehen und die eigenwillige Seilbahn. Die 150km sollten wir in einem Tag schaffen – viele Baustellen, die letzte ist ab 16.00h passierbar. Kurz vor dem Eindunkeln erreichen wir Jardín. Das Dorf gefällt uns dermassen gut, dass wir gleich eine Woche bleiben. Die erwarteten Vögel sind beeindruckend, und gegen 16.00h versammeln sich diese Anden-Felsenhähne im Steilhang eines Gartens. Genauso beeindruckend ist die Seilbahn, einem Metallkäfig ähnelnd, die uns in 3Min. auf die andere Hanghöhe bringt. Von dort gibt’s einen malerischen Wanderweg mit Panoramablick, der in Serpentinen ins Tal führt vorbei an einem Tunnel voller Fledermäuse, 2 Wasserfällen und zum Schluss auf einem idyllischen Weg mit runden Steinen vorbei an schönen Häusern mit hübschen Gärten. Auf einer Kaffeetour erfahren wir viel über den Werdegang des Kaffees den wir täglich auf der schönen Plaza vor der mächtigen Kathedrale geniessen. So wie in der Schweiz der Emmentaler, ist auch hier der 1A-Kaffee für den Export bestimmt. Trotzdem ist er gut hier, der Kaffee tinto, oft bereits gesüsst. Die letzte Tour unternimmt Richard alleine mit einer Gruppe, und wie sich im Nachhinein herausstellt, war meine Entscheidung richtig. 50min im gefüllten ‚Willy‘ in die Berge, dann 1Std. bergan laufen, Imbisshalt und dann eine Kletterpartie an 2 Seilen beinahe Senkrecht runter. Das Ziel sei beeindruckend gewesen: ein Cenote, d.h. eine Höhle in der die Decke eingefallen war und sich nun ein Wasserfall direkt durch das Loch in die Höhle ergiesst. Die Welt ist klein – eine fern Bekannte aus Wetzikon befand sich in der Gruppe.

Ein Abstecher nach Jericó in den Bergen bringt uns den Alltag eines Dorfes näher: der abendliche Treff auf dem Hauptplatz mit Männern in Cowboystiefeln, geschultertem Poncho und Cowboyhut, viele gerne Bier trinkend, Bauern, Schuhmacher, Plaudertreffs (und Männer reden viel hier!), guter Kaffee, gutes Essen, rosa Kirche und hässliche Basilika. Jetzt heisst es aber den Stutz auf der Westkordillere wieder runter, das Caucatal durchqueren und die Zentralkordillere wieder erklimmen. Erst verpassen wir die kleine unbedeutende Abzweigung nach El Cairo. Die Strasse führt uns steil in ein Tal, nur bei Häusern (hier noch Häuser?) ist ein kurzes Stück asphaltiert, der Rest ist ganz ok. Aber die andere Seite hoch nach La Peña ist zum Teil miserabel, ebenfalls steil, erdschlammig und eng dazu. Und 2x mit einem Kleinbus müssen wir auch kreuzen. Ich atme ganz ruhig auf dem Beifahrersitz und bin still, lehne etwas zu Richard rüber. Eigentlich ist mir das Gelände zu steil hier, aber besser ich sage gar nichts und störe nicht Richards Konzentration. Und wir kommen heil oben an. Es ist eine ‚Berghütte‘ für Kletterer, denn hier befindet sich eine der wenigen Felswände Kolumbiens. Ein herrlicher Ort weit oben, leider meist in Nebel verhüllt und mit viel Niederschlag. Nach 3 Tagen lässt sich Richard überreden nicht denselben Weg zurückzufahren (mich schauderts), sondern der Route weiter zu folgen und hintenrum nach Medellín zu fahren. Die Landschaft ist herrlich, berauschend und vielseitig. Immer wieder staunen wir wie den ‚Strassen‘ entlang, bei der kleinsten ebenen Stelle ein Haus steht, meistens den steilen Hang auf Pfählen überragend. Ist ein Auto nicht möglich, verrichten Esel oder oft Maultiere deren schwere Transportarbeiten. Endlich in Medellín angekommen finden wir im besseren Teil der Stadt einen Parkplatz in einer ruhigen Strasse (danke Tina und Felix für den Tipp). Das Angebot im nahen Einkaufszentrum ist überwältigend). Am nächsten Tag versuchen wir einmal mehr unser Glück, den seit langem wieder (!) tropfenden Chromstahlboiler zu schweissen. Wir hoffen, die richtige Werkstatt gefunden zu haben. Auf alle Fälle ist der Boiler seit dann trocken. Wir sind froh darüber, denn der uns versprochene neue Boiler ist nie in Medellín angekommen (oder wurde nie von Deutschland weggeschickt?!).

In der Zwischenzeit sind Ute und Hans im Camping ‚Al Bosque‘ angekommen und hoffen, ihr während der Pandemie hier stehendes Wohnmobil für 90 Tage bei der DIAN wieder einlösen zu können. Aber wie bei den Engländern Pat und Neil hat die medelliner Behörde kein Ohr und will nur 15 Tage Aufenthalt gestatten – würde heissen, ohne Kolumbien gross kennen zu lernen das Land verlassen. Zum Glück öffnet Ecuador am 17. Dezember doch noch plötzlich die Landesgrenzen für Privatautos und Touristen. Dies würde für sie heissen - Ausreisen und wieder Einreisen. Einige Tage bleiben wir mit Ute und Hans zusammen, gibt es doch viel zu erzählen vom ersten Treff in Mexiko und später dem eindrücklichen Weihnachtsmorgen in Nicaragua… Während Hans versucht die verschiedenen blinkenden Lämpchen im Auto unter Kontrolle zu bringen, erkunden wir mit Ute die ‚Comuna 13‘ in Medellín, ein noch vor etlichen Jahren höchst kriminelles Armenviertel wo sich die Häuser, Hütten und desolaten Unterkünfte am Hang übereinander stapeln und Trampelpfade und unendliche Treppen durch das  Häusergewühl schlängeln. Nun wurde Ruhe in dieses Teilgebiet geschaffen indem seit 2011 einige Rolltreppen den besseren Zugang für die Bewohner in die Stadt ermöglichen und viele kunstvolle Wandbilder die Häuserwände verzaubern. Einheimische führen heute massenweise Touristen durch ihr Quartier. Nicht nur diese Rolltreppen auch verschiedene  neue Seilbahnen verbinden Aussen- und andere Armenviertel mit der Stadt. Eine dieser Seilbahnen bringt uns über einen Hügel, auf der andern Seite runter und dann weiter einen nächsten Hang hoch. Bedrückt sehen wir von oben auf das Häusergewirr und in der Ferne auf die geschäftige Innenstadt mit Hochhäusern. Eigentlich haben wir im Sinn via Hochbahn und der oberirdischen Metro zu einer andern Seilbahn zu fahren, die uns in die Nähe unseres Übernachtungsplatzes führen sollte. Doch die Metro ist dermassen vollgestopft (Richard kommt als einziger rein, nur seine Hand schaut aus der geschlossenen Tür, bis sie, wir schreien, endlich nochmals aufgeht und wir den ‚armen‘ Kerl rausziehen können) dass wir uns erst bei der übernächsten reindrücken können. Alle tragen Masken, die Bahn fährt im 3-Minuten-Takt. Ja, und bei der Seilbahn heisst es, leider fährt die letzte um 18.00 Uhr, 20 Minuten zu spät. Alles wieder zurück, anscheinend fährt auch kein Bus mehr nach Santa Élena hoch (was glaube ich nicht stimmte), und mit einem endlich zustimmenden Taxi (ca. Fr. 25.- für ¾ Std Fahrt)sind wir endlich ‚zu Hause‘. War das ein Tag! Die Weihnachtsbeleuchtung von Medellín soll sehr eindrücklich und schön sein, aber wir haben keine Lust nochmals in die Stadt runter zu fahren.

Ute und Hans entscheiden sich doch für die DiAN-Anmeldung und hoffen auf die 90 Tage. Uns ist es zu kalt und nass in Santa Élena, wir müssen weiter, etwas an die Wärme und Sonne. Ende Januar oder Februar werden wir die Zwei nochmals auf Galapagos treffen. Hoffentlich klappt dort ein Wiedersehen. Wir fahren südlich in die Kaffeeregion Kolumbiens. In der Talsohle des Caucatales empfangen uns Wärme und Sonne und ein Swimmingpool, bevor es wieder in die Höhe geht. Endlich tauchen wir unsere Glieder in die heissen Thermalquellen von Santa Rosa de Cabal, von der schon zu Beginn unserer Kolumbienreise geschwärmt wurde. Der hohe sich ausfächernde Wasserfall ist hübsch aber nicht umwerfend nach zig andern inzwischen gesehenen gigantischen Kaskaden. Das schmucke Städtchen Salento im farbenfrohen paiso-Stil lädt zum Bummeln, gut Essen und feinem Kaffeetrinken ein. Ziel ist jedoch das Valle de Cocora – das Tal der weltweit höchsten, bis 60m hohen, Wachspalmen. Wir hoffen auf gutes Wetter und spazieren frühmorgens zu den drei Aussichtspunkten. Zum Haus der Kolibris ist es uns zu weit, der 5 bis 6-stündige Rundweg hätte uns durch ein hübsches Bachtobel mit etlichen Hängebrücken geführt. Jedoch ist der Weg steil, rutschig und immer nass und ich verspüre keine Lust auf einen weiteren Sturz. Der vorgeschwärmte Sternenhimmel fällt wieder einmal ins Wasser. Eigentlich fahren wir wenn möglich keine Strecke zweimal. Für Silvester haben wir im nahen ‚Steel Horse‘ in Filandia gebucht, bleiben uns noch 3 Tage bis dorthin. Es gäbe eine 4x4 Route (zwar in schlechtem Zustand, aber machbar) via Toche nach Cajamarca, nur wenige 88km. Ja, die nehmen wir, fragen einige Einheimische ob ok nach Toche. Ein kurzer Blick auf unser Auto und sie nicken und los geht’s. Wir staunen über die vielen Radfahrer und erfahren später, dass dies eine beliebte Strecke sei. Ja kolumbianische Radfahrer sind kräftig, klein und leicht, angriffig wenn es sein muss, kämpferisch, ausdauernd und stark in dieser Disziplin. ‚Colombia Es Pasión!‘ So auch für Richard – sicher umfährt er jedes Hindernis – das abgerutschte Wegstück, die schmale Stelle nach einem Murgang, die vielen Löcher, Steine, Matschstellen ohne darin stecken zu bleiben. Die Strecke ist eine Tagesetappe. In Toche, dem Einpaarseelendorf, erhalten wir einen frischen Kaffee und eine Hausführung und den freundlichen Hinweis, es seien nur noch 20km gute, bessere Piste bis zur Hauptstrasse. Dass der Weg sich jedoch nochmals passmässig und eng über einen (oder mehrere) Bergrücken schlängelt, damit haben wir nicht gerechnet. Endlich, gegen Abend finden wir in Cajamarca, weg vom starken Lastwagenverkehr, hinter der Kirche einen ruhigen Übernachtungsplatz.

Über eine hervorragende breite Passstrasse erreichen wir nächstentags Armenia und ich bin unendlich froh etliche erlösende Sitzungen auf einem Einkaufszentrumsklo erleichtern zu können. Silvester verbringen wir ohne grosses Tramtram in Filandia. Wir finden nicht viele Schlafplätze auf dem Weg in Richtung Süden. So bietet sich nach einer kurvigen guten Strasse durch die schöne Kaffeeregion (Eje cafetero) über die Bezirke ‚El Paraiso‘, ‚La Riviera‘, Montenegro, ‚La Suiza‘, ‚Barcelona‘, ‚El Rin‘ ein Halt in Roldanillo an. Das Museum von Omar Rayo begeistert, vor allem seine 3-dimensional wirkenden Acrylbilder. Vielleicht ist der Stausee Calima ebenso schön wie derjenige von Guatapé? Erst wird die Basilika in Buga besucht mit der dunkelbraun, goldumwirkten Statue des gekreuzigten Christus, dem Herr der Wunder. Jeden Tag gibt es mehrere Messen und  vor allem in der zweiten Septemberwoche zieht das Gotteshaus eine Million und mehr internationale Pilger an. Dann geht’s, entlang von  Zuckerrohrplantagen, wo eben die bis 5 Anhänger langen vollbeladenen LKWs von den Feldern auf die Fahrbahn abbiegen, in grosszügigen Schlaufen den Hang hoch zum See. Jedoch bevor wir ihn erreichen werden wir zum Anhalten bewogen und ein lachender Herr lädt uns auf Schweizerdeutsch zum Kaffee ein. Gerne nehmen wir an. Und aus der Kaffeepause wird ein Übernachten auf dem Parkplatz seiner herrlichen ökologischen Finca wo all seine vielen und guten Ideen Verwirklichung finden. Wirklich ein Paradies! Viel gibt es zu zeigen, zu erzählen, zu sehen, vieles bleibt offen, angeschnitten, da die Zeit einfach zu schnell vergeht. Anderntags werden wir in seinem Auto um den See gefahren und Markus zeigt uns noch sehenswerte Orte. Gerne würden wir länger an diesem wohlfühlenden Ort bei Markus verweilen, aber wir haben die Kaffeepause sonst schon ‚strapaziert‘. Herzlichen Dank für Alles und das Verwöhntwerden – wir denken gerne an dich zurück!

Weiter südwärts nähe Cali stehen uns zwei andere Paradiese zur Auswahl: ostwärts ein schöner Garten eines antiken Herrenhauses mit Aussicht, westwärts im Nebelwald ein Ort mit hunderten von Kolibries und andern Vögel. Wir entscheiden uns für das Zweite, die Finca Alejandría. Kaum angekommen umschwirren uns die kleinen quirligen Vögel, man weiss kaum wohin schauen. Raul ist seit 17 Jahren mit den Vögeln hier auf Du und hat 60 Trink- und einige Futterstellen mit Bananen um sein Haus aufgestellt. Alle kriegen etwas, auch der Fuchs, die verwilderte Katze, und wir Kaffee und Kuchen. Auch hier dürfen wir mit unserem Auto über Nacht bleiben.

Wir schlängeln uns wieder runter nach Cali, die Kamera gefüllt mit Vogelbildern. Kurz lassen wir das Auto auf einem bewachten Parkplatz und sehen uns das Zentrum der Stadt an. Interessanterweise sei immer der Norden einer Stadt sicher, die anderen Quartiere nicht. Vor wenigen Tagen war das grosse Salsa-Fest, dann sprudelt die Stadt. Ja sicher hätte mir das gefallen, mich mit der Musik mitreissen zu lassen… aber uns sieht man den Touristen von weitem an, und das ist nicht gut in einem Menschengetümmel. Anderntags hörten wir von einem Anschlag auf ein Polizeiauto in der Stadt. Wir übernachten einige Kilometer ausserhalb der Stadt, wie meistens als einzige Gäste.

Einen Punkt hatte ich mir schon vor langer Zeit eingetragen – Silvia, ein kleiner Ort mit einem interessanten Indigenenmarkt einmal die Woche. Und der von vielen gerühmte Overlanderplatz ‚La Bonanza‘ ist ganz in der Nähe. Nun stehen wir einsam auf eben diesem grosszügigen Platz, der noch vor 2020 von vielen vielen Reisenden genutzt wurde. Alles ist extrem sauber hier, warmduschen ist möglich (!), die auf ihrer Reise hier niedergelassenen Familie superfreundlich und lädt uns ein, mit ihnen den Markt zu besuchen. Richard fühlt sich seit der Ankunft grippig, auch ich verspüre Kopfschmerzen und beide sind extrem müde und schlapp. Da machen wir doch vorsichtshalber einen mitgebrachten Covid-Schnelltest und – ja – beide positiv. Während der 10-tägigen Quarantäne werden wir liebevoll verwöhnt von Kika, Anouar und Maya, sie schauen täglich vorbei, bringen überraschend Couscous, Pizza, Brot, Kräuter und vieles mehr vorbei, damit der beängstigend abgemagerte Richard wieder zu Kräften kommt. Nach dieser Zeit ist Richards Test negativ und er fährt nach Silvia an den Markt derweilen ich im Auto auf ihn warte, da ich noch immer positiv bin. Das Volk der Misak/ die Guambianos (Mutter der Wälder) betrachtet die Erde als das Wichtigste und ihre Aufgabe, so sehen sie es, ist daher das Land zu schützen und zu erhalten. Es ist ein kämpferisches Volk, das ohne weiteres auch jemanden verschwinden lassen kann,  der ihnen nicht passt. Jährlich demonstrieren sie für ihre Rechte, was wieder Anwohnern und Regierung ein Dorn im Auge ist, denn trotz angeblicher Unterstützung arbeiten viele mit den Narcos zusammen, freiwillig da mehr Profit oder werden gezwungen, und etliches an Cocablättern, Marihuana und Opium stammt aus dieser Region.

Wir wurden darauf aufmerksam gemacht respektvoll mit der indigenen Bevölkerung umzugehen, auch um ein Foto von ihnen vorerst zu fragen. Etliche verneinen. Ihre Kleidung trägt die Farben blau, weiss, pink (Wasser, Luft, Blut/Krieg). Junge Frauen tragen einen aufwändig geflochtenen Hut der Berge, Gemeinden repräsentiert, ältere Frauen und Männer tragen schwarze melonenähnliche Hüte aus Ecuador, an den Füssen robuste knöchelhohe Schuhe.

Nicht wissend wie ansteckend wir sind, oder ob überhaupt noch, verlassen wir trotzdem nach vielen Tagen den schönen Platz mit den liebevollen Gastgebern und fahren weiter nach Popayán, der weissen Stadt. Die Reserven sind uns am Ausgehen: Gas, allerlei Einkauf, Wäscherei ist dringendst. Mit den üblichen Vorsichtsmassnahmen, Maske, Händedesinfektion und Abstand hoffen wir niemandem zu nahe zu kommen. Den empfohlenen sicheren Übernachtungsplatz in einem Hinterhof, sogar nahe dem Zentrum, finden wir gleich und werden von Daniel, einem Bekannten des Besitzers eingelassen. Zum Glück hinterlässt er uns seine Telefonnummer (für den Notfall), denn am Abend, nach der Stadtbesichtigung, ist alles ruhig und dunkel,… und abgeschlossen. Nach Anruf werden wir endlich von einem Jungen eingelassen der uns zusagt, am nächsten Tag um 09.00h das grosse Tor aufzuschliessen damit wir weiterfahren können. ‚Aurita‘, ‚momentito‘ heisst nicht jetzt gleich oder in einem Moment, das heisst vielleicht etwas später, ev in 2 oder einigen Stunden, aber auch erst morgen oder irgendwann. So auch das 09.00h. Eine Stunde später telefonieren wir wieder Daniel. Nach etlichen Anrufen seinerseits erscheint ein Nachbar der zwar keinen Schlüssel findet, jedoch eine andere notwendige Person organisiert, die uns endlich aus dem Hinterhof befreit.

Erlöst nehmen wir die Rute 20 unter die Räder (Popayán-San Augustín), nur 138 km, wir rechnen mit etwa 5 Stunden Fahrt. Sie führt uns durch herrliche Landschaft und Wälder. Die 37 km Naturstrasse durch den Puracé NP rüttelt uns arg durch. Ob die, am Nachmittag entgegenkommenden Touristen auf ihrem Velo dieses anspruchsvolle Teilstück bergauf noch bis ins nächste Dorf bis abends schaffen?

Der Platzvermieter in San Augustín freut sich über unseren Besuch, wir seien dieses Jahr, seit 2020, die zweiten Besucher. Das mussten wir an vielen Orten vernehmen, dass wir seit zwei Jahren sogar die ersten Gäste seien… Für den übernächsten Tag buchen wir eine Tagestour mit Fahrer an die verschiedenen Stätte präkolumbianischer Ausgrabungen mit Gräber und Stehlen (ca. 300 v.Chr. bis ca. 1600 n.Chr.), an 2 spektakuläre Wasserfälle und die Knieenge des hier noch Flüsschens Rio Magdalena. Die Ostkordillere und die Zentralkordillere der kolumbianischen Anden vereinen sich in dieser Gegend zu einem Gebirgszug, der sich zusammen mit der Westkordillere weiter durch ganz Südamerika zieht.

Via der Ruta 10 (unter Reisenden als ‚Trampolín de la muerte oder del diablo‘ bekannt) wollen wir die Anden in einem Tag nochmals durchqueren und später zum ecuadorianischen Grenzübergang fahren. Wenn wir im nahen Ort Mocoa übernachten, dann sollten wir die 64km Naturstrasse bis San Francisco in einem Tag schaffen. Die Nr. 10 ist eine einspurige, mit Gegenverkehr, heute nicht mehr ganz so halsbrecherische Strecke, die sich steil und meist ungesichert über etliche Gebirgszüge schlängelt. Ein grosses Problem, eigentlich die grösste Gefahr, sind die vielen Murgänge, massiven Erdrutsche und die Bäche bei Starkregen, die die Strasse unpassierbar machen, oder Teile der Piste mitreissen. Das Wetter ist gut, in der Nacht hat es nur wenig geregnet. Um halb acht fahren wir los, um so spät wie möglich den Gegenverkehr an den Ausbuchtungen zu kreuzen. Viele LKWs und Kleinbusse sind bereits unterwegs, die Strasse steigt steil an, die Berglandschaft ist herrlich. Irgendwann umhüllt uns dicker Nebel und wir kleben an den Rücklichtern des Vorderfahrzeuges. Vielleicht sind wir froh um die Wolkenschwaden, denn so sehen wir die Abgründe und Tiefen neben uns nicht. Mitte Nachmittag sind wir bereits am Bergsee La Cocha und übernachten im schönen Gelände des Chalet Suiza.

Ein weiterer Tag und wir sind in der Grenzstadt Ipiales wo wir den für Ecuador benötigten PCR-Test machen müssen. Seit dem 17. Dezember 2021 hat Ecuador die Landesgrenze zu Kolumbien spontan geöffnet. Ute und Hans, unsere Reisefreunde, erhielten in Medellin keine Aufenthaltsverlängerung für ihr Auto und mussten Kolumbien innert 15 Tagen verlassen. Sie und 3 weitere Bekannte sind bereits ‚drüben‘. Bis wir das Resultat des Labors erhalten bleibt uns Zeit genug unsere letzte markierte Sehenswürdigkeit Kolumbiens zu besuchen – die Brückenkirche Las Lajas. Eindrücklich wie das Gotteshaus in die Schlucht gebaut wurde wo sie über unzählige Stufen erreicht wird. Hunderte von Votivtafeln zeugen von bereits vollbrachten Wundern, Treppenmauern und Kirchenwände sind  übersäht mit Danksagungen und Bitten an die wundertätige Jungfrau Maria. Ein steinernes Engelorchester posiert auf der Brückenbalustrade und unter der Kirche ist die farbig beleuchtete Kapelle, deren Steinstufenabgang an M C Escher’s  Perspektivenwirrnisse erinnert. In der Zwischenzeit wurde auf dem Parkplatz eines Anwohners unser Auto gewaschen. Dies freut uns, denn nötig war eine Reinigung seit langem.

Und das Ergebnis des PCR Tests? Richard negativ, ich noch immer positiv. Also nochmals eine Woche abwarten, dann einen zweiten Versuch unternehmen. Vielleicht drängt uns das Warten uns in  Geduld zu üben, zu reflektieren, zur Kontemplation, Hompage bearbeiten… Mitte Woche geht’s zu einem Antigentest, der gottseidank negativ ausfällt. Damit fahren wir gleich zum ecuadorianischen Zoll, denn oh Wunder, zur Einreise genügt ab dem 3. Februar entweder ein PCR oder neu ein Antigentest. Nein, keine Zeitungsente, nur ‚gute‘ südamerikanische Bürokratie, denn eigentlich wird die Regelung an den grossen Flughäfen sofort umgesetzt, kommt jedoch an den Landgrenzen etwas später an. Die Vereinfachung ist also noch nicht am Landzoll angekommen.

Das hiesige Departement Nariño, das sich bis zum Pazifik erstreckt, ist unsicheres Gebiet, noch heute. Im Labyrinth des pazifischen Dschungels ist die Kokainindustrie versteckt und ein naiver Ausflug könnte zu Begegnungen mit Guerillas, FARC, Paramilitärs etc. führen, nein, wir möchten noch weiterreisen. Jedoch entscheiden wir uns nach mehreren Anfragen bei Einwohnern, Polizei, Tankstellen, den Cumbalsee oder Laguna de la Bolsa auf 3600m im Lande der Awá-Indios zu besuchen. Dochdoch, heisst es, unser Auto kann den engen Weg befahren, übernachten dort ist möglich jedoch nicht empfehlenswert. Kurz vor dem See begegnen wir einer kleinen Militärtruppe mit 3 Movag-Schützenpanzern. Richard hält an (oh nein, denke ich) und wartet bis der Sergeant fragend zu uns kommt, was wir hier wollen. Ist gut meint er, nach der Seebesichtigung sollen wir auf einen Fotohalt vorbeikommen und könnten auch sicher zwischen ihnen übernachten. Ein kleines Boot, von einer indigenen Frau gesteuert, fährt uns über das stets graufarbige Wasser zum gegenüberliegenden Ufer zu herrlichen Papierbäumen, gelbblühenden Frailejones (Espeletia) und 3kg mächtigen Zucht-Regenbogenforellen. Schön ist es hier mitten in der unberührten Natur. Zurück beim Auto erwarten uns winkend einige bewaffnete Soldaten, und ein Panzer bewacht unseren Camper.

Endlich, beide PCR-Tests sind negativ. In 1 ½ Stunden sind sämtliche Zollformalitäten erledigt und wir sind drüben. Wir freuen uns auf Ecuador.

* * * * *

Rückblickend bedanken wir uns bei den kolumbianischen Einwohnern für den meist überaus herzlichen Empfang, wurden immer willkommen geheissen, haben viel mit ihnen gelacht und geplaudert. Ihre meist sehr offene Art, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hat uns tief berührt – eine Herzlichkeit die in der Schweiz mit ihrer oft reservierten Art selten anzutreffen ist. Ob wir uns je unsicher gefühlt haben so wie die ‚eda‘ und das ‚auswärtige Amt‘ Kolumbien als gefährliches Land schildern, so dürfen wir sagen, dass wir wirklich nie eine heikle Situation angetroffen haben, auch auf den vielen vielen Nebenstrassen die wir gefahren sind. Sicher gibt es Gegenden die man vorsichtshalber nicht besucht, entweder weil es Narcogebiet ist, also Koka-, Hanf- oder Opiumgebiet, das von FARC, Guerillas und dem Drogenkartell überwacht wird, oder wir ungefragt einheimisches Gebiet betreten. Denn seit 1991 wurde von der Verfassung festgelegt, dass die indigenen Völker des Landes ein Recht haben auf Selbstbestimmung und über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung selbst entscheiden können. D.h. sie regieren ihr Gebiet autonom, sprechen ihre eigene Sprache und nicht immer auch Spanisch, machen Strassensperren um ihren Situationen Ausdruck zu verleihen. Es kann auch vorkommen, passt ihnen jemand nicht, dass diese Person eines Tages verschwindet.

Grosse Probleme für eine optimale Regierung des Landes scheinen mir folgende Punkte: die enorme Völkervielfalt im eigenen Land, das extrem steile und schroffe, gebirgige Land mit den immer wiederkehrenden Erdrutschen und Murgängen die Dörfer und Strassen verschütten oder unterspülen, die ca. 1,5 Mio. venezolanischen Flüchtlinge die zu wieder vermehrter Kriminalität führen, die Aufarbeitung von Armenvierteln (wie in Medellin), die Korruption im Land.

Das Land ist aussergewöhnlich vielseitig, ein Völkergemisch mit allen nur erdenklichen Hautschattierungen und x-verschiedenen Sprachen. Landschaftlich bietet es enorm viel:

-Trockengebiete wie die Tatacoawüste oder la Guajira im Norden zur Grenze Venezuelas mit extremen Dürreperioden, -Regen und Nebelwälder, -Dschungel  im Osten zu den Nachbarsgrenzen und im Westen zum Pazifik, -seichtes und überflutetes Schwemmland entlang des Rio Magdalena, -Schneeberge und immer wieder aktive Vulkane…, -überwältigendes steiles Gelände aus sehr wenig Fels mit auffallendenen Höhenunterschieden, -tausenden von Flüssen, -das ganze Land durchquerende Ströme wie der Rio Magdalena (zwischen  Ost- und Zentralkordillere) und der Rio Cauca (zwischen Zentral- und Westkordillere), -Anpflanzungen  bis in höchste und steilste Höhen über 3000m

-Traditionell – schöne historische, gut erhaltene Kolonialstädte, Tradition und Moderne begegnen sich, Besserung der Armengebiete wie zB in Medellin

-Verkehr – Grossstädte zB Bogota bieten hervorragende Busführungen und Radwege, das ganze Land überfluten massenhaft viele LKWs, noch mehr Motorräder die von allen Seiten hervorschiessen, chaotisches Fahren von allen Seiten kommend

- Kolumbien – ein Land, das von allem und für alle etwas zu bieten hat !

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